
Da Vinci und seine verborgenen Leidenschaften
Ausstellung: Leonardo da Vinci (1452 – 1519)
Datum: 24. Oktober 2019 bis 24. Februar 2020
Museum: Das Louvre Museum
Der untenstehende Text ist ein Auszug aus dem Buch Homosexualität in der Kunst von James Smalls, herausgegeben von Parkstone International.
Leonardo gilt aufgrund seiner Leistungen in Kunst und Wissenschaft schon seit langem als Inbegriff des Universalgenies. Er ist neben Michelangelo die Figur aus der italienischen Renaissance, über die am meisten geschrieben worden ist. Viele Autoren und Forscher haben sich sehr für seine sexuelle Orientierung sowie ihre Auswirkungen auf seine künstlerischen und wissenschaftlichen Werke interessiert.

Diejenigen, die sich mit Leonardo befassten, haben fragmentarische Notizen Leonardos, seine Auswahl an Assistenten, den androgynen Charakter einiger der von ihm gemalten Figuren und den Ruf, den er bei seinen Zeitgenossen hatte, herangezogen, um sich über seine Homosexualität klar zu werden. Die Begeisterung für sehr junge männliche Jugendliche ist Teil einer von den meisten gelehrten Florentiner im 16. Jahrhundert genossenen Reputation. Leonardo wurde 1476, als er Lehrling in Andrea del Verocchios Werkstatt in Florenz war, zwei Mal vom Amt der Nacht – einer besonderen Behörde zur Verfolgung homosexueller Aktivitäten – der Sodomie mit dem 17- jährigen Lehrling Jacopo Saltarelli angeklagt. Leonardo und seine beiden Mitangeklagten wurden freigesprochen und die Anklagen später fallengelassen. Sein Ruf litt jedoch 1568 erneut, als ein abfälliges Sonett des Kunsttheoretikers Gian Paolo Lomazzo über l’amore masculino erschien.

Dem Sonett zufolge hatte Leonardo sich gerühmt, „viele Male“ mit seinem schönen jugendlichen Lehrling Sodomie getrieben zu haben. Es handelte sich bei diesem Lehrling um Gian Giacomo de Caprotti, der blondes lockiges Haar und androgyne Gesichtszüge hatte und Leonardo unter Umständen als Modell für Johannes der Täufer diente. De Caprotti war erst zehn Jahre alt, als Leonardo ihn 1490 als Lehrling annahm. In seinen Notizbüchern bezeichnete Leonardo diesen de Caprotti liebevoll als „Salai“ (kleiner Teufel), weil er Leonardo zufolge ein „Dieb, Lügner, Dummkopf und Vielfraß“ war. Trotz des zweifelhaften Charakters seines Lehrlings behielt Leonardo ihn 25 Jahre lang in seiner Werkstatt und malte geradezu besessen seine sanften Gesichtszüge und blonden Locken (Saslow, 89). Leonardo schenkte Salai feine Kleider und Schmuck und nahm ihn auch auf mehrere Reisen durch Europa mit.

Salai war nicht der einzige. Leonardo nahm mehrere junge Männer eher wegen ihres Aussehen als wegen ihres Talents als Lehrlinge auf, u.a. Cesare de Sesto, Boltraffo und Franceso Melzi. Trotz seiner Liebe zu Jungen war Leonardo keineswegs ein verwegener Wüstling. Sein Leben und seine ästhetischen Entscheidungen waren ein schwieriger Kampf darum, seine homosexuellen Tendenzen und seine hehren moralischen Ziele, die von Ficinos neoplatonischem Konzept der physischen Schönheit und Spiritualität inspiriert waren, in Einklang zu bringen. Leonardos Johannes der Täufer, sein Bacchus und die Mona Lisa sind Beispiele für Kunstwerke, in denen eine sublimierte Homosexualität und die leidenschaftliche Suche nach androgyner Schönheit in Engeln, Heiligen und Bildern Christi zum Ausdruck kommt.

Sigmund Freuds Leonardo da Vinci und eine Erinnerung an seine Kindheit (1910) war die erste wichtige psychologische Arbeit, die die Bedeutung von Leonardos rätselhafter Sexualität für das Verständnis seiner Kreativität unterstrich. Leonardo hinterließ fast 2000 Seiten Notizen, die Freud als Beleg für seine These dienten, er sei ein sublimierter Homosexueller gewesen. Er führte Leonardos Homosexualität auf eine Fixierung auf seine Mutter sowie eine retardierte Entwicklung in der ödipalen Phase zurück. Obwohl Freud nie bestritt, dass Leonardo mit seinen Lehrlingen sexuelle Beziehungen unterhielt, war er davon überzeugt, dass Leonardo sich in einem Zustand „platonischer, einsamer und tragischer Homosexualität“ befand, aus der einem Genie würdige große Werke entsprangen. Freuds Interpretation ist seit ihrer Publikation kontrovers diskutiert worden. Viele sehen sie als eine fehlerhafte und inkonsistente Studie, während andere sie doch als hilfreich für ein Verständnis Leonardos, seiner Zeit und seiner Arbeiten halten (siehe William B. MacGregor, “Leonardo da Vinci“, in Haggerty, 535-36).
Um einen besseren Einblick in Homosexualität in der Kunst zu erhalten, setzen Sie dieses spannende Abenteuer fort, indem Sie auf AmazonUS, GoogleBook, Parkstone, Leslibraires klicken.


You must log in to post a comment.