
Ruhm und Tragödie – die letzten Zaren auf Netflix
Serie: Die letzten Zaren
Veröffentlichung: am 3. Juli auf Netflix mit 6 Folgen

Der untenstehende Text ist ein Auszug aus dem Der Letzte Zar von Larissa Jermilowa, herausgegeben von Parkstone International.
Nach der Thronbesteigung des 26jährigen Kaisers Nikolaus II. am 6. Mai 1896 hofft das Land auf wichtige innenpolitische Veränderungen, doch bereits in der Antrittsrede des jungen Herrschers nach den mit großem Pomp begangenen Krönungsfeierlichkeiten werden solche Hoffnungen gedämpft. Nikolaus erklärt unumwunden: „Damit ein jeder es weiß: ich werde über die Erhaltung des autokratischen Prinzips mit derselben Festigkeit und in demselben Geist wachen, wie es mein geliebter verstorbener Erzeuger tat.”

Krönungsfeierlichkeiten für Nikolaus II. 1896.
An der Schwelle zum zwanzigsten Jahrhundert die Politik Alexanders III. fortsetzen zu wollen, ist indes nicht nur kurzsichtig, sondern schlicht unmöglich. Die soziale Bewegung schlägt eine neue Richtung ein, die für die Regierung überaus beunruhigend ist, vor allem der Zulauf zur revolutionären Bewegung. Als Nikolaus II. auf den Thron steigt, haben die revolutionären Sozialdemokraten die Forderungen der Arbeiter zu ihrer Sache gemacht und bereiten im Namen der marxistischen Lehre den Sturz der Autokratie vor.

Sankt Petersburg. 17. Oktober 1888. Photo Levitski.
Der letzte Zar aus dem Romanow-Geschlecht begibt sich somit von Anfang an auf einen gefahrvollen Weg. Als Mensch bleibt er rätselhaft. Selbst die ihm am Hofe am nächsten stehenden Staatsbeamten wie die Minister Witte und Durnowo können kein eindeutiges Urteil über ihn abgeben, der junge Herrscher entzieht sich allen. Zu Beginn seiner Regierung hielt Witte ihn für „völlig unerfahren, aber keineswegs dumm, ein junger Mann, der eine ausgezeichnete Erziehung genossen hat.” Später versichert er, dass Nikolaus die Charaktereigenschaften seiner Vorfahren Paul I. und Alexander I. in sich vereinige.

Nikolaus II. Alexandrowitsch, ältester Sohn Alexanders III. und Kaiserin Maria Feodorownas, wurde am 6. Mai 1868 in Zarskoje Selo geboren. Mit der Erziehung des Kronprinzen wird General Danilowitsch betraut, ein angesehener Pädagoge. Das umfassende Unterrichtsprogramm mit allgemeinem und militärischem Lehrstoff, das dieser ausarbeitet, ist auf dreizehn Jahre angelegt. Kaiser Alexander III. hatte ihn ausdrücklich gebeten, auch der russischen Geschichte und Literatur besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Der junge Thronfolger kommt daher schon als Kind auf die Kadettenanstalt, nimmt an den Übungen, Revuen und Paraden von Einheiten teil, die unter seinem Kommando stehen und wird später in die kaiserliche Armee eingegliedert, um seinen vollen Dienst abzuleisten. So ist er nacheinander Unteroffizier und Kompaniechef im Regiment Preobrajenski, bevor er in die Kavallerieschule eintritt und dort das Husarenregiment der Garde mit dem Rang eines Unteroffiziers übernimmt und anschließend Schwadronführer wird. Später begibt er sich auf eine große Kreuzfahrt, auf der er sich mit der Seefahrt und den Besonderheiten eines modernen Kriegsschiffs vertraut macht.


Ab 1889 nimmt Nikolaus an den Sitzungen des Staatsrates und des Ministerausschusses teil. Ein Jahr später bereist er den Fernen Osten, wobei seine Route ihn zunächst über Wien und Triest nach Griechenland und Ägypten und schließlich nach Japan führt. Die Festlichkeiten zu Ehren des Gastes werden von dem Mordanschlag eines japanischen Nationalisten überschattet. Nikolaus ist unverletzt, doch das japanische Volk reagiert mit Entrüstung auf diese verbrecherische Tat, die die Gastfreundschaft des Landes Lügen straft. Letzte Stationen dieser über sechs Monate währenden Reise sind der Ferne Osten Russlands und Sibirien. In Wladiwostok ist er Ehrengast der Feiern zur Einweihung der ersten Trasse der Transsibirischen Eisenbahn sowie bei der Grundsteinlegung für die großen Docks in dieser Hafenstadt am Stillen Ozean. 1892 wird er zum Präsidenten der mit dem Bau der Transsibirischen Eisenbahn betrauten Kommission ernannt.


Am 14. November 1894 heiratet Nikolaus Prinzessin Alice von Hessen-Darmstadt, die nach ihrem Übertritt zum orthodoxen Glauben den Namen Alexandra Feodorowna führt. Das kaiserliche Paar hat vier Töchter mit Namen Olga, Tatjana, Anastasia und Maria und einen Sohn, Alexsei.
Bereits in den ersten Jahren seiner Regierung wendet sich Nikolaus II. mehrmals in Aufrufen an alle Staaten der Erde und fordert sie auf, „der Anhäufung von Rüstungsmaterial ein Ende zu machen und Mittel und Wege zu finden, um die die Welt bedrohende Katastrophe zu verhindern.” Auf der Haager Friedenskonferenz, die auf seine Initiative hin am 6. Mai 1889 stattfindet, vereinbaren die Länder Europas, Amerikas und Asiens, internationale Konflikte in Zukunft auf dem Wege der Schlichtung und durch andere friedliche Lösungen zu beheben. Damit wird der berühmte Ständige Internationale Gerichtshof ins Leben gerufen. Nach dem Ersten Weltkrieg bat auch der Präsident der Vereinigten Staaten, 1925 Thomas Woodrow Wilson, bei der Feier zur Eröffnung des Völkerbundes um eine Schweigeminute zu Ehren des russischen Kaisers Nikolaus II. als Anreger der ersten Friedenskonferenz, die zur Gründung des Völkerbundes führte, dessen Aufgabe die Verhütung und Beendigung von Staatenstreitigkeiten mit friedlichen Mitteln sein sollte.


Die zahlreichen Auslandsreisen Nikolaus II. dienen der Anknüpfung freundschaftlicher Beziehungen zu den führenden Staaten, solche persönlichen Kontakte zwischen Staatschefs sind in seinen Augen von höchster Bedeutung. Sein Aufenthalt in Frankreich im Oktober 1896 stärkt wesentlich das russisch-französische Bündnis und führt zum Beitritt Russlands zur Entente Cordiale zwischen Frankreich und England. Dieses Dreierbündnis sichert die Westgrenze Russlands gegen einen möglichen Angriff des Deutschen Reiches. Auf der Balkanhalbinsel erreicht die russische Außenpolitik sogar die Durchsetzung einer Friedenspolitik, 1904 unterzeichnen Russland und Österreich-Ungarn in der Tat eine Neutralitätserklärung, die der gefährlichen Konfrontation in diesem Teil Europas ein Ende macht. Im Nahen Osten stoppt die zaristische Regierung das Vordringen Deutschlands auf türkisches Gebiet an der Grenze zu Russland. Dieses Verhandlungsergebnis wird durch türkische Zugeständnisse erzielt, die den Bau einer Eisenbahnstrecke entlang der Schwarzmeerküste und der russisch-türkischen Grenze ermöglichen. Auch im Mittleren Osten nimmt der Einfluß Russlands zu.

Einzig im Fernen Osten lässt sich ein Krieg nicht verhindern. Ende des 19. Jahrhunderts stellt Japan Ansprüche auf eine Einflußnahme im Pazifik und im Atlantischen Ozean. 1904 erfolgt der Angriff Japans auf Russland. Die japanische Kriegsflotte sticht ohne vorangegangene Kriegserklärung in See und greift am 26. Januar überraschend das russische Geschwader in Port Arthur an. Der Krieg bricht urplötzlich aus. Japan sichert sich einen entscheidenden militärischen Vorsprung, zumal die russische Pazifikflotte nur die Hälfte der Kreuzer und nur ein Drittel der Torpedoboote der japanischen Angreifer zählt. Die japanischen Kreuzer begeben sich in die Reede von Tschemulpo in Korea, wo der russische „Variag” und das Kanonenboot „Der Koreaner” vor Anker liegen. Die Russen werden aufgefordert, sich zu ergeben. Als Antwort hissen sie die Kriegsflagge und sofort beginnt eine ungleiche Schlacht. Nach heftigem Widerstand und zahlreichen Opfern – 7 Offiziere und 115 Matrosen werden verletzt oder getötet – erreichen der Panzerkreuzer und das Kanonenboot den Hafen, wo der „Variag” sich selbst versenkt und „Der Koreaner” in die Luft gesprengt wird. Der Rest der Besatzung wird von ausländischen Schiffen an Bord genommen und in neutrale Häfen ausgeschifft.

Zarskoje Selo.



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