
Edgar Degas‘ Bewegungsdrang
Reich geboren zu sein, schadet nie. Man kann diesen günstigen Umstand beispielsweise dazu nutzen, den lieben langen Tag jungen Balletttänzerinnen nachzustellen, sich auf dem Nachhauseweg einen Fotoapparat zu kaufen und zu einem der größten Künstler der Moderne zu werden. Edgar Degas (1834-1917), Mitbegründer des Impressionismus, hat es vorgemacht. Was jedoch trieb ihn in die Konzert- und Opernhäuser von Paris? Die beste Antwort hierauf lautet wohl: Sein unstillbarer Drang nach Bewegung.

Degas‘ berühmtestes Werk ist die Kleine vierzehnjährige Tänzerin, eine Skulptur, die er 1881 auf der sechsten Impressionistenausstellung in Paris präsentierte. Anders als Madonna war Degas schlau genug, die ursprünglich nackt posierende Marie van Goethem nicht öffentlich zu entblößen. Der Skandal, den das Kunstwerk dennoch auslöste, lag nicht in der Minderjährigkeit seines Modells, sondern in dessen Darstellung begründet, die frei von jeder Idealisierung war.
Degas, ganz Impressionist, interessierte sich für die gemeine Bevölkerung, aus der seinerzeit ein Großteil der Tänzerinnen rekrutiert wurde. Er hatte bereits einige Jahre zuvor Zugang zu den Bereichen hinter den Tanzbühnen erhalten, was ansonsten den wohlhabenden abonnés vorbehalten war, deren Absichten in der Regel weit weniger ehrbar waren als die des mehr nüchternen denn lüsternen Beobachters Degas.

Die technischen Entwicklungen seiner Zeit – 1895 fand die erste öffentliche Filmvorführung der Brüder Lumière statt – bestärkten den Künstler in seiner Leidenschaft für die Darstellung des bewegten Körpers. Welche Bewegung aber wäre ästhetischer und präziser als die von Balletttänzerinnen? (Wohl nur die von Degas selbst. Man beachte, wie er im einzigen von ihm existierenden Filmdokument behände einer Straßenlaterne ausweicht.)
Mit der Zeit lud Degas die jungen Frauen so regelmäßig in sein Atelier ein, dass ihm schließlich die Sittenpolizei einen Besuch abstattete. Nicht weniger als 1.500 seiner Werke sind vom Ballett inspiriert. Der Künstler jedoch fühlte sich missverstanden: „Die Leute nennen mich Maler der Tanzmädchen“, beschwerte er sich gegenüber dem Kunsthändler Ambroise Vollard.
„Es ist ihnen nie in den Sinn gekommen, dass mein Hauptinteresse an den Tänzerinnen in der Darstellung von Bewegung und dem Malen schöner Kleider liegt.“
Insbesondere die Technik der Monotypie erlaubte es ihm, den Verwischungseffekt des bewegten Bildes, ja die Flüchtigkeit der Bewegung schlechthin nachzuformen. Wie es der Zufall so will, sind ab morgen rund 120 Monotypien von Degas im New Yorker Museum of Modern Art zu sehen. Und für all diejenigen, die ihren Sommerurlaub nicht in den USA verbringen, ist obiges Ölgemälde noch bis zum 19. Juni 2016 in Coventry ausgestellt, bevor es den Weg zurück in die Londoner Courtauld Gallery antritt.

Zu guter Letzt sind auch wir nicht untätig geblieben:

