Hiroshi Saitō / unbekannt, nach Waldemar Bonsels Die Biene Maja und ihre Abenteuer, Japan, 1975-1980.
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„Urgrosspapa!?“, rief Maja. Katsushika Hokusai schwieg.

Früher war alles besser. Vor allem die Kinderserien. Auf Mila Superstar oder die Kickers lasse ich nichts kommen. Sie stammten aus Japan, das wusste ich, denn Sie hielten damit ja nicht eben hinter dem Berg. Mila zum Beispiel lachte wie die Sonne darüber. Mir hat aber nie jemand gesagt, dass Die Biene Maja ebenso aus Japan kam! Regisseur war, auf Betreiben progressiver Kräfte im ZDF (!!!), ein gewisser Hiroshi Saitō. Das beweist: Japan ist längst zum essentiellen Bestandteil westlicher Vorstellungswelten geworden. Das war nicht immer so. Genau genommen begann alles im 19. Jahrhundert. Und die Frage ist berechtigt: Hätte es die Biene Maja, unsere Biene Maja mit den Kulleraugen und der Stupsnase, ohne Katsushika Hokusai (1760-1849) und die frühe japanische Popkultur je gegeben?

Hiroshi Saitō / unbekannt, nach Waldemar Bonsels Die Biene Maja und ihre Abenteuer, Japan, 1975-1980.
Hiroshi Saitō / unbekannt, nach Waldemar Bonsels Die Biene Maja und ihre Abenteuer, Japan, 1975-1980.

Hokusai war bereits 70 Jahre alt, als er seine Serie 36 Ansichten des Berges Fuji schuf und mit ihr die weltberühmte Große Welle vor Kanagawa. Das war zwischen 1830 und 1832. Revolutionär war seine Verwendung von Tinte in preußischblauer Farbe. Er musste sie aus Europa importiert haben. Dort war er bis nach seinem Tod gänzlich unbekannt.

Der Traum jeder Biene: Katsushika Hokusai, Der Berg Fuji hinter blühenden Kirschbäumen, um 1800-1805. Surimono, Nishiki-e (Farbholzschnitt), 20,1 x 55,4 cm. Rijksmuseum, Amsterdam.
Der Traum jeder Biene: Katsushika Hokusai, Der Berg Fuji hinter blühenden Kirschbäumen, um 1800-1805. Surimono, Nishiki-e (Farbholzschnitt), 20,1 x 55,4 cm. Rijksmuseum, Amsterdam.

Japan verfolgte seinerzeit eine strikte Abschottungspolitik – keine Ausländer herein, keine Inländer hinaus. Es bedurfte einer unverblümten Drohgebärde der Weltpolizei in spe Amerika, um die Öffnung des Landes einzuläuten. 1853 wurden vier Kriegsschiffe mit der unfreundlichen Botschaft „Handelt mit uns oder wir schießen!“ entsendet. Japan willigte seufzend ein.

Neben den Handelsgütern fand auch die japanische Kunst ihren Weg in den Westen und hatte 1867 auf der Pariser Weltausstellung ihren ersten spektakulären Auftritt. Die grenzenlose Begeisterung der klassischen Avantgarden für jene fremdartigen Bildwelten ist bekannt. Der sogenannte Japonismus brach aus. Man vergleiche nur Henri de Toulouse-Lautrecs (1864-1901) flächige Farbgebung mit der eines Kitegawa Utamaro (1753-1806). Monets Frau trug von nun an Kimono. Und niemand wurde mehr verehrt als Katsushika Hokusai.

Links: Kitagawa Utamaro, Drei zeitgenössische Schönheiten, um 1793. Nishiki-e (Farbholzschnitt), Tinte und Farbpigment auf Papier, 37 x 25 cm. Museum of Fine Arts, Boston. Rechts: Henri de Toulouse-Lautrec, Divan Japonais, 1892-1893. Vierfarbige Lithografie, 80,8 x 60,8 cm. The Metropolitan Museum of Art, New York.
Links: Kitagawa Utamaro, Drei zeitgenössische Schönheiten, um 1793. Nishiki-e (Farbholzschnitt), Tinte und Farbpigment auf Papier, 37 x 25 cm. Museum of Fine Arts, Boston. Rechts: Henri de Toulouse-Lautrec, Divan Japonais, 1892-1893. Vierfarbige Lithografie, 80,8 x 60,8 cm. The Metropolitan Museum of Art, New York.

Zu Beginn des neuen Jahrhunderts, im Jahre 1912, schrieb Waldemar Bonsels (1880-1952) dann den Roman Die Biene Maja und ihre Abenteuer. War er ein Japonist? Sicher nicht. Aber er gab seiner weltberühmten Hauptfigur jenes eine hervorstechende Merkmal, das heute in aller Welt wie kein zweites für japanische Popkultur steht: „große blanke Augen“. Was als vorsichtige Andeutung kindlicher Unproportioniertheit und unbändiger Neugier gedacht war, gebar Jahrzehnte später eine Ikone des kawaii.

Der geniale Einfall des ZDF kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Erst Wickie (1972), dann Heidi (1974), schließlich Die Biene Maja (1975) – sie alle sind uns im fernöstlichen Stil im Gedächtnis geblieben. Und das, obwohl der Japankult des Westens erst in den späten Achtzigerjahren seine massenwirksame Wiedergeburt feierte. Josef Göhlen, der damalige Leiter des ZDF-Kinderprogramms, hauchte dem Japonismus neues Leben ein, ohne dass es Generationen von jungen Zuschauern, mich eingeschlossen, so recht bemerkten.

Die vermeintlich urdeutsche Biene Maja eine Urenkelin des größten aller japanischen Künstler? Mir persönlich gefällt dieser Gedanke.

Katsushika Hokusai, Frischer Wind am hellen Morgen oder Der rote Fuji, aus der Serie 36 Ansichten des Berges Fuji, um 1830. Nishiki-e (Farbholzschnitt), 26,1 x 38,2 cm. British Museum, London.
Katsushika Hokusai, Frischer Wind am hellen Morgen oder Der rote Fuji, aus der Serie 36 Ansichten des Berges Fuji, um 1830. Nishiki-e (Farbholzschnitt), 26,1 x 38,2 cm. British Museum, London.

Diese und viele weitere Verwandtschaftsbeziehungen zwischen der japanischen Kunst des 17.-19. Jahrhunderts und der heutigen, in die ganze Welt exportierten Popkultur des Landes erforscht die Ausstellung „Hokusai x Manga“ des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg noch bis zum 11. September 2016. Hokusai für zuhause gibt es bei uns:

MS Hokusai

TS Hokusai

BO Hokusai

ESS Hokusai

XS Ukiyo-E

Autor: Arik Jahn

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