Die Kunst des Vergnügens
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Eleganz und erotischer Kunst: Die Kunst des Vergnügens enträtseln

Der untenstehende Text ist ein Auszug aus dem Die Kunst des Vergnügens (ISBN: 9781639199594), von Hans-Jürgen Döpp herausgegeben von Parkstone International.

Wann kann man von “erotischer Kunst„ sprechen? Jeder Sammler erotischer Kunst hat mit Anbietern schon die Erfahrung gemacht, dass ihm, der immer das Beste und Vollendeste erwartete, Arbeiten angeboten wurden, die in jeder Hinsicht ungenügend waren. Und das trotz der Versicherung des Anbieters, etwas Bedeutsames auf diesem Sammelgebiet gefunden zu haben. Manchmal gewinnt man den Eindruck, dass das Auge angesichts der freien Thematik ästhetisch verdummt, so dass ein ansonsten hochgebildeter Mensch ein Werk für bedeutend hält, welches vom künstlerischen Standpunkt aus gesehen minderwertig ist.

Und umgekehrt gilt, dass trotz seiner künstlerischen Qualität ein Meisterwerk allein aufgrund seiner Thematik für zweitklassig gehalten wird. Fest steht, dass die Darstellung des Geschlechtakts nicht gleichbedeutend mit erotischer Kunst ist. Ebensowenig wie ein anstosserregender, pornographischer Gegenstand nur wegen seines als unschicklich empfundenen Inhalts seinen Kunstcharakter verliert. Auch die Ansicht, Werke, die zur geschlechtlichen Erregung hervorgebracht wurden, könnten wegen ihrer niederen Absicht nicht Kunst sein, ist irrig.

Anonymous, c. 1890, erotischer Kunst
Anonymous, c. 1890

Unterscheidet sich erotische Kunst von der Pornographie vielleicht durch die Fiktionalität? Aber auch die Pornographie ist ein Produkt der Phantasie und folgt nur beschränkt der sexuellen Wirklichkeit. Die erotische Kunst ist, wie Gunter Schmidt feststellte, “konstruiert wie sexuelle Phantasien und Tagträume, so unwirklich, so grössenwahnsinnig, so märchenhaft, so unlogisch und auch so stereotyp„.

Ohnehin hat sich, wer die Alternative “Kunst oder Pornographie„ aufstellt, aufgrund seiner moralisch wertenden Haltung schon gegen das Pornographische entschieden, mit der Folge, dass, was dem einen Kunst ist, dem anderen als ein Machwerk des Teufels erscheint.

Die Vermengung von Fragen der Ästhetik mit Fragen des Anstands und der Sittlichkeit lässt jeden Klärungsprozess von vornherein scheitern. Nähme man das Wort “Pornographie„ in seiner ursprünglichen, griechischen, rein deskriptiven Bedeutung, nämlich als “Huren- Schreibe„, also als Bezeichnung eines aufs Geschlechtliche bezogenen Textes, dann könnte man erotische Kunst und Pornographie durchaus gleichsetzen, soweit es um den dargestellten Inhalt geht. Diese Definition käme einer Rehabilitierung des Begriffes “Pornographie„ gleich.Wie zeitabhängig die Bewertung erotischer Kunst ist, zeigt die Übermalung der Figuren von Michelangelos “Jüngstem Gericht„ in der Sixtinischen Kapelle. Während der Renaissance galt Nacktheit nicht als obszön und folglich sah der Auftraggeber, Papst Clemens VII., in Michelangelos Ausführung nichts Unsittliches. Sein Nachfolger dagegen, Paul IV., beauftragte einen Maler, das “Jüngste Gericht„ mit Hosen zu versehen! 

Yva Richard, 1900, erotischer Kunst
Yva Richard, 1900

Ein anderes Beispiel für den problematischen Umgang mit erotischer Kunst bieten die in Pompeji ausgegrabenen Fresken, die erst vor kurzem wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.

Als 1819 im “Palazzo degli studi„, dem späteren Nationalmuseum, das sogenannte “Kabinett der obszönen Gegenstände„ eingerichtet wurde, hatten zu dem abgeschlossenen Raum nur “Personen reifen Alters und von bekannter Moral„ Zugang. 1823 änderte die Sammlung ihren Namen in “Kabinett der verschlossenen Gegenstände„.

Hier konnte die Werke nur besichtigen, wer im Besitz einer regulären königlichen Erlaubnis war. Die reaktionäre Welle nach den Unruhen von 1848 ergriff auch die erotische Sammlung des Museums. 1849 sperrte man die Türen des “Kabinetts der verschlossenen Gegenstände„ endgültig zu. Drei Jahre später wurde die Sammlung in einen noch entlegeneren Saal überführt, den man zusetzlich noch zumauerte. Erst 1860, nachdem Giuseppe Garibaldi in Neapel eingezogen war, bemühte man sich um die Wiedereröffnung der erotischen Kollektion. Ihr Name wurde ein weiteres Mal geändert, diesmal in “Pornographische Sammlung„. Im Verlaufe der Zeit wurden ihr des öfteren Objekte entnommen, um sie in die regulären Ausstellungen zu integrieren. Die hindernisreiche Geschichte dieses Kabinetts bietet ein anschauliches Bild der Sittengeschichte der letzten Jahrhunderte.

Frank von Bayros, 1909, erotischer Kunst
Frank von Bayros, 1909

Nicht jedes Zeitalter fördert die Gestaltung des Erotischen in gleicher Weise. Auch ist die erotische Kunst nicht nur ein Spiegel der erlangten sexuellen Freiheit. Sie kann ebenso ein Zeichen der Verdrängung sein. Es ist sogar denkbar, dass die leidenschaftlichsten Werke gerade wegen der kulturellen Unterdrückung der Sexualität entstanden. In der Unmittelbarkeit des sexuellen Geschehens bedient sich die Natur der Spezies: die instinktmässige Sexualität der Tiere hat nichts Erotisches. In der Erotik dagegen bedient sich die Kultur der Natur, und diese kulturell geformte Sexualität hat eine Geschichte. Ihr liegen moralische, gesetzliche und magische Verbote zugrunde, die sich mit der Zeit ändern, und die verhindern sollen, dass das soziale Gebäude unterspült wird. Die Erotik drückt den gezügelten Trieb aus, aber auch die Lust auf Sexualität.

Sie durchzieht die kollektive Phantasie, ohne die Gesellschaft den zerstörerischen Gefahren der direkten Sexualität auszusetzen. Die Erotik ist der geglückte Balanceakt zwischen der rational organisierten Gesellschaft und den Forderungen einer zügellosen, zerstörerischen Sexualität. Doch auch in ihrer gezähmten Version bleibt die Erotik eine dämonische Macht im menschlichen Bewusstsein, in der der Gesang der Sirenen nachklingt, denen sich zu nähern tödlich ist. Hingabe und Selbstaufgabe, Regression und Aggression sind die nach wie vor lockenden Kräfte.

Anonymous, 1930
Anonymous, 1930

Diese Konvergenz von Lust und Tod hat in der Literatur schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Insofern Erotik aus Distanz und Umwegen besteht, ist der Fetischist das Sinnbild des Erotikers. Der imaginierte Körper ist ihm interessanter als der reale, die sexuelle Spannung aufregender als der sexuelle Höhepunkt, zu dem sie hinstrebt. Auch Sammler sind Fetischisten. Während sich der Wüstling in der Wirklichkeit betätigt, lebt der Fetischist im Reich der Phantasie, wo er die lasterhaften Freuden vielleicht noch schrankenloser geniesst.

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