
Schönheit der Wiener Secession aus den Augen von Gustav Klimt
Der untenstehende Text ist ein Auszug aus dem Gustav Klimt (ASIN: B00J86V52E), von Jane Rogoyska und Patrick Bade, herausgegeben von Parkstone International.
Die Wiener Secession
Der Stadtrat hat in diesen Tagen, in erleuchteter Stunde, den Beschluß gefaßt, der „Vereinigung bildender Künstler Österreichs“ unter gewissen Bedingungen, die allerdings noch einiger Milderung bedürfen, einen Baugrund an der neuen Ecke der Wollzeile in Wien zu überlassen, zur Errichtung eines Kunstausstellungsgebäudes. Man nennt das eine „Wiener Lokalnachricht“, aber in ihr steckt noch weit mehr Bedeutung als in sämtlichen Lokalrubriken der letzten Zeitungsjahrgänge. Mit dieser Nachricht ist ein Zauberwort ausgesprochen, das Fesseln sprengen und Tote beleben soll. Eine Stadterweiterung steht in Aussicht, die der Kunstszene zugute kommen soll; die Kunststadt Wien, diese ungeheure Kleinstadt, soll endlich ein Groß-Wien, ein wirkliches Neu-Wien werden. Überrascht werden es die Wiener hören, denn die Verschworenen haben auf ihrem Rütli in tiefster Stille gearbeitet; heute spricht die getane Tat, denn das kühne Unternehmen ist künstlerisch als auch finanziell bereits abgesichert, vorläufig für die nächsten zehn Jahre. Es war eine Gruppe jüngerer Künstler von starkem, modernem Blut, deren Tatkraft diese Bewegung in Gang gesetzt hat, die seit langem konsequenteste in Wien, seitdem das geniale Temperament Hans Makarts von hier aus die ganze Kunstwelt in Brand gesteckt.

Es kann etwas daraus werden, wie die Vereinigung der „Elf“ in Berlin, die ihre Werke in Schultes Kunstsalon ausstellen, oder eine sogenannte „Sezession“ wie in München, Paris und anderen internationalen Kunststädten; ein Exodus auf den Heiligen Berg, halb Gegenbewegung, halb Neugründung. Ein „Antisalon“, der naturgemäß immer stark den Charakter eines Salons der Zurückgewiesenen haben wird. Aber diese jungen tapferen Wiener sind zugleich besonnene Patrioten. Sie wollen weder Frondeurs, noch Wassergeusen sein und auch keinen Guerillakrieg gegen Akademie und das Künstlerhaus führen. Es ist nicht die Sucht, den „Alten“ ein Schnippchen zu schlagen, die sie kitzelt. Sie wollen niemanden ärgern, sich auch nicht selber aufspielen, sie wollen einfach danach trachten, die urtümliche, klassische österreichische Kunst auf die internationale Stufe der heutigen Zeit zu heben.
Für Wien bedeutet diese allgemeine Zustimmung eine künstlerische Sicherstellung. Wird es doch von Jahr zu Jahr schwerer, einer Wiener Kunstausstellung einen europäischen Charakter zu verleihen. Selbst bei der letzten Internationalen Austellung im Künstlerhause genügten die von der Regierung bewilligten 30.000 Gulden nicht, um ausländische Werke anzukaufen. München, Berlin, Dresden lassen ihre Galerien mit der Weltbewegung Schritt halten und versehen dadurch ihren intellektuellen Nachwuchs mit modernem Bildungsstoff. In Wien werden die Verhältnisse dagegen immer enger; ohne den Kaiser und den Fürsten Liechtenstein wäre hier überhaupt alles längst eingeschlafen.

Seine Werke
DIE FABEL, 1883, Öl auf Leinwand, 85 x 117 cm, Historisches Museum, Wien
Klimt malte Die Fabel im Jahr 1883, dem Jahr, in dem er und sein Bruder Ernst ihren Abschluss an der Wiener Kunstgewerbeschule machten. Das Bild war das Ergebnis des Auftrags, Entwürfe für das dreibändige Buch Allegorien und Embleme anzufertigen, das die traditionelle allegorische Sprache der Künstler modernisieren sollte, um auch Aspekte des modernen Lebens wie Handel und Technologie berücksichtigen zu können. Zu den Beiträgern dieser prestigeträchtigen Publikation gehörten zwei Künstler: die später als die Hauptrivalen Klimts in der deutschsprachigen Welt geltenden Max Klinger und Franz von Stuck. Obwohl es sich für einen Einundzwanzigjährigen um ein gelungenes und durchaus attraktives Werk handelt, hat Die Fabel nichts von dem charakteristischen Stil, für den Klimt mehr als ein Jahrzehnt später berühmt werden sollte.

Zu diesem Zeitpunkt stand Klimt noch völlig unter dem Einfluss des sogenannten Malerprinzen Hans Makart, der sich zur damaligen Zeit auf dem Höhepunkt seines Ruhmes befand und den die Nachwelt immer mit dem pompösen Historismus der neu errichteten öffentlichen Bauten an der Wiener Ringstraße in Verbindung bringen wird. Klimt hatte als Student eine solche Ehrfurcht vor Makart, dass er zusammen mit seinem Bruder Ernst und ihrem Kommilitonen Franz Matsch den Diener Makarts bestach, damit er sie während dessen Mittagsschlaf in das Atelier des Meisters einließ, um seine riesigen Bilder zu betrachten.
BILDNIS DES PIANISTEN JOSEPH PEMBAUR, 1890, Öl auf Leinwand, 69 x 55 cm, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck
Männerporträts sind in Klimts Oeuvre äußerst selten. In der Phase seiner künstlerischen Reife nahm Klimt ausschließlich Aufträge für Porträts schöner Frauen an. Der wirklich unattraktive Joseph Pembauer war insofern ein ungewöhnliches Modell. Dieser fröhliche Pianist, Lehrer und Komponist wurde durch die Gründung der Pembauer-Gesellschaft geehrt, deren Mitglieder sich jeweils donnerstags in der Löwenbräu-Gastwirtschaft in Wien trafen. Klimt malte das kleine Porträt im Jahr 1890 für diese Gesellschaft. Wie einige andere seiner Porträts aus dieser Zeit wirkt es wie nach einer Fotografie und nicht nach dem lebenden Modell gemalt.

Genau wie in den ebenfalls in dieser Zeit gemalten Zwickelbildern für den Treppenaufgang des Kunsthistorischen Museums platziert Klimt die stark dreidimensional ausgeprägte Figur vor einen flachen dekorativen Hintergrund. Der schmückende Rahmen ist vielleicht das Interessanteste an diesem Bild. Wir sehen hier in Klimts Verwendung eines delphischen Dreifußes, zu dem er sich durch eine attische rote Figurenvase aus dem fünften Jahrhundert v. Chr. inspirieren ließ, das Ergebnis seiner Studien antiker griechischer Vasen während der Vorbereitung auf die Wandgemälde für das Kunsthistorische Museum. Er sollte dieses Motiv später in seinem Entwurf für einen Umschlag von Ver Sacrum, der Zeitschrift der Wiener Secession, wieder verwenden.
JUDITH MIT DEM HAUPT DES HOLOFERNES, 1901, Öl auf Leinwand, 84 x 42 cm, Österreichische Galerie Belvedere, Wien
Die biblische Heldin Judith rettete das jüdische Volk, indem sie den Philistergeneral Holofernes verführte und dann ermordete. Renaissancekünstler wie Donatello malten sie als einen Archetyp des Patriotismus und weiblichen Mutes. Im 17. Jahrhundert begannen Barockkünstler wie Caravaggio, Johannes Liss und Artemesis Gentileschi die psychosexuellen Möglichkeiten dieses Motivs auszuloten, aber erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts war Judith neben Salome zu einer ebenbürtigen Femme fatale geworden. In dieser Zeit malten auch Franz von Stuck und Gustave Mossa Judith in dieser Rolle.

Klimts Judith I aus dem Jahr 1901 ist vielleicht die mächtigste und bedrohlichste all seiner Darstellungen der gefährlichen weiblichen Sexualität. Mit ihrem von üppigem Haar gekrönten Haupt, ihrem starken Kinn, den halb geschlossenen Augen und geöffneten Lippen ist sie eine Artikulation der Ekstase. Sie geht (vielleicht auf dem Umweg über den belgischen Symbolisten Fernand Khnopff) auf Dante Gabriel Rossettis einflussreiches Bild Beata Beatrix zurück. Sie ist darüber hinaus mit Munchs Madonna und dem Mädchen in Muchas „Job“ – Reklame verwandt, obwohl die Ekstase von Muchas junger Frau lediglich vom Zug an einer Zigarette herrührt. Der mit Juwelen besetzte Kragen, der Judith den Kopf abzutrennen scheint, findet sich in vielen von Klimts Porträts aus dieser Zeit.
Erfahren Sie hier mehr über die Werke von Gustav Klimt:
Galleria Nazionale d’Arte Moderna
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