
Émile Gallé – Der Naturfreund
Der untenstehende Text ist ein Auszug aus dem Émile Gallé (ASIN: B00T8VO1N4), von Émile Gallé herausgegeben von Parkstone International.
Die Natur ist ein Tempel, in dem die Bäume
Zuweilen Unerklärtes erscheinen lassen;
Der Mensch durchdringt den Wald voller Symbole
Die ihn mit vertrauten Blicken betrachten.
Lesen Sie hier Teil 1 über Émile Gallé
Das Bessere ist ein Feind des Guten
Die Notwendigkeit, ständig etwas Neues zu schaffen, lässt uns manchmal die Regeln des guten Geschmacks und der ästhetischen Gefühle vergessen. Haben wir es nicht schon miterlebt, wie die Menschen von einem Unsinn wie einer grünen Rose schwärmten? Eine grüne Rose ist keine Rose, es ist Rosenkohl. Der vielleicht auf geschäftlichen Anforderungen beruhende Wunsch nach Innovationen würde schließlich dazu führen, alles das rückgängig zu machen, was die Natur an Charmantem geschaffen hat, und müsste Grazie durch Sprödigkeit ersetzen. Aus der Veilchenblume machen wir so ein Mauerblümchen und freuen uns darüber.

So kann man einen unserer brillanten und außerordentlichen Kollegen von der Gartenbauliteratur sehen, der die folgenden befremdlichen Zeilen verfasste, um die Haltung einer der anmutigsten Pflanzen zu beschreiben:
Wenn ich die Gattung Fuchsia einmal kritisieren müsste, dann wäre es die herabhängende Anordnung der Blüten, denn man kann sie nur von unten her sehen, wie Ohrringe, dadurch sind sie für Blumensträuße ungeeignet.
Er befürwortete daher eine alte Form, die Fuchsia erecta, von der er ein Beispiel zeigt:
Schauen Sie sich diese massiven Stangen an, geschwollen, abnormal, diese steifen Stiele, sozusagen ,aus Eisen gemacht‘, dann werden Sie ein Gefühl dafür bekommen, was die Natur, wenn auch durch intensive Landwirtschaft manchmal ausgerottet, so gut gemacht hatte, um von unten nach oben gesehen zu werden.

Der Blumenhändler Garo kann etwas Hässliches zu einem der schönsten, zierlichsten Blumenarrangements komponieren, diese winzigen Gewindeglocken, diese Korallen und Granat- Anhänger, diese ,Ohrringe‘, wie es von unserem guten Freund Carrière betont wurde. Er konnte ja nicht wissen, wie recht er hatte, denn der berühmte Pariser Juwelier Lucien Falize (1837-1897) schuf mit Rubinen und Diamanten an einem Tag die schönsten Verzierungen für die Ohren einer Prinzessin aus Tausendundeiner Nacht.
Der Gärtner muss einen natürlichen Geschmack besitzen, der in einer aufrichtigen Bewunderung und einer Leidenschaft für die Meisterwerke der Natur seinen Ursprung findet. Seine Rolle ist es jedoch nicht, sie zu verändern, um in einer Gegenästhetik die natürlichen Eigenschaften einer Gattung in ein gestaltloses Ungleichgewicht zu bringen, sondern nur die stilvollen, die dekorativen, zu erheben, um sie zu unvergleichlicher Schönheit zu bringen. Es ist aber eine künstliche, auf einem straffen Draht befestigte Frucht, sie würde es nicht verdienen, auf einem Kirschbaum aufgehängt zu werden. Der Obsthändler bringt uns die andersartigen Ohrringe aus Kirschen, dieses köstliche Kleinod, vom Zweig auf die Lippen.


Glücklicherweise lehnt die Öffentlichkeit bestimmte Innovationen ab. Sehen Sie, wie froh sie waren, in Ausstellungen oder in den Sammlungen seltsamer, fantastischer und monstrous vergrößerter Objekte natürliche und einfache Formen zu entdecken und wiederzufinden.
Außerdem kann uns die aufrechte Fuchsia nicht erschrecken. Noch lange Zeit wird sie die netten Ohrringe, die an unseren Fenstern und unseren Balkonen schwingen, nicht abnehmen können.
Das symbolische Dekor
Émile Gallé wurde 1891 zum Mitglied der Académie Stanislas [Anm.: in Nancy] gewählt. Die Dankesrede, die er dort in der öffentlichen Sitzung vom 17. Mai 1900 gehalten hatte, wurde in Erinnerung daran von dieser Vereinigung gedruckt (Band XVII).
In genau diesem Augenblick, in dem ich hierher gekommen bin, um der Académie Stanislas für die Ehre zu danken, die sie mir durch die öffentliche Aufnahme zuteil werden ließen, weiß ich, was ich Ihnen für Ihre Gastfreundschaft schulde: fast zehn Jahre! Meine Mentoren waren angesichts der Sparsamkeit meiner Beiträge zu ihren Werken nicht zu hart gewesen. Und ich bin mir Ihrer Geduld und auch der Unzulänglichkeit meiner Referenzen im Vergleich zu Ihrem Wohlwollen nur zu gut bewusst.

Die Verzögerungen, die Sie akzeptiert haben, halten mich heute etwas von meiner Freude ab. Zwei Freunde, die meine Bürgen waren, fehlen: Jules Lejeune und Pastor Otto Cuvier haben uns verlassen. Ich erwähne diese beiden edelmütigen Personen nicht aus Eitelkeit, aber ich respektiere es, dass Sie durch die Aufnahme eines in seinen verschiedenen Experimenten einfachen Kunsthandwerkers dem guten Urteilsvermögen dieser beiden geschätzten Männer Anerkennung zollen. Beide waren in ihrer Menschenfreundlichkeit, ihrer Toleranz gegenüber jedem aufrichtigen Glauben und in ihrem anerkennenswerten Eifer, Menschen in Frieden, Studium und Wertschätzung zu vereinen, ein Vorbild. Es genügte ihnen, meine Sorgen und Zweifel nicht über ihr eigenes Entgegenkommen, sondern über mich ein wenig zu lindern.
Mein Engagement für die Académie reicht weit in meine Jugend zurück, zu den Jahrestagungen, diesen alten und guten Donnerstagen im Mai, wenn meine Klassenkameraden aus dem Lycée Nancy, Hubert Zæpfell und der engelhafte Paul Seigneret, der junge Märtyrer, zwei reine Opfer, uns von der lauten Institution Leopold abholten, um in diese königliche Umgebung zu gelangen und um die Lacroix, die Margeries, die Burnoufs, die Benoîts, die Lombards, die Vollands und die Duchênes zu hören.

Unsere noch junge Geisteswissenschaft genoss den Vorteil einer großzügigen Wissenschaft, ein Attizismus, schön wie die goldenen Guipure-Stickereien [Anm.: Ätzstickerei] von Jean Lamour (1698-1771). Wer hätte gedacht, dass der mittelmäßige Schüler des besten Meisters überhaupt es wagen würde, eines Tages hier, und Gott sei Dank vor vielen von Ihnen, einen verspäteten französischen Aufsatz zu präsentieren? Diese Aufgabe wird dank der Wahl eines vertrauten Themas meiner üblichen Arbeit hoffentlich leichter Anklang finden und sie mag vielleicht aufrichtig und bedeutungsvoll sein. Sie geben daher dieses Mal einem Komponisten von Ornamenten, einem Bild-Assemblierer, das Wort, um über die Symbolik im Dekor zu sprechen.
Stellen wir uns Themen vor, die für die Beschichtung von Formen, Gedanken, Linien, Schattierungen, für die Dekoration unserer Wohnungen oder für Gebrauchsgegenstände spezifisch sind oder zur reinen Freude dienen, die sich ihrem Zweck in einer materialspezifischen Weise dem Marmor oder dem Stoff, dem Metall oder dem Holz anpassen – es ist zweifellos eine aufregende Tätigkeit. Aber eigentlich ist es viel ernster, zeigt schwerwiegende Konsequenzen, die der Schöpfer der Verzierungen in der Regel nicht einmal ahnt.
Jede Implementierung menschlicher Anstrengung, so klein das Gesamtergebnis auch sein mag, lässt sich in der manchmal einschüchternden Geste des Sämanns zusammenfassen. Ob absichtlich oder leichtfertig – der Designer fungiert wie ein Sämann, der für ein Feld mit einer besonderen Kultur die Einrichtung, die Werkzeuge, die Feldarbeiter, die Pflanzen und Sonderkulturen plant. Denn bei der zur üblichen Problematik gehörenden Ornamentik kann eines Tages das Bescheidenste wie auch das Erhabenste in diesem fesselnden dokumentarischen Zusammenspiel eine Schlüsselrolle spielen: Es kann der dekorative Stil einer Ära werden.

Allerdings wird jede künstlerische Leistung unter Einflüssen gezeugt und geboren – innerhalb einer träumerischen Atmosphäre und des üblichen Willens des Künstlers. Hieraus erwächst jedenfalls sein Werk. Unabhängig von seiner Zustimmung sind seine Bedenken wie für ein neugeborenes Kind die Patinnen gute Feen, die magische Gaben bescheren oder Hexen, die böse Zaubersprüche äußern. Die Arbeit wird die unauslöschlichen Spuren des Denkens nachweisen, eine leidenschaftliche Gewohnheit des Geistes. Es synthetisiert ein Symbol, unbewusst und umso tiefer.
Einige asiatische Teppiche enthalten als persönliches Markenzeichen zur beendeten Arbeit zwischen der Einfassung und den Garnen ein seidiges weibliches Haar, vergleichsweise wie ein geschlossenes Buch, das durch das verblichene Seidenband die Seite offenbart, über die nachgedacht wurde, oder auch die bevorzugte Seite zeigt, die manchmal für immer unterbrochen wurde. Auf diese Weise hinterlässt der Designer in seinem „Buch“ immer etwas von sich selbst. Später entwirren wir den Haarstrang, werden wir die ausgebleichten Haare, die getrockneten Tränen finden, die die Autografen der Dichterin Marceline Valmore (1786-1859) oft schwer leserlich machen, etwas Unverständliches aushauchen, den Seufzer der Müdigkeit, den Ekel über eine abstoßende und unfreiwillige Aufgabe oder das männliche Markenzeichen eines Dichters artikulieren:
Oh Nacht, freundliche Nacht, gewünscht von denen,
deren Arme heute glaubwürdig sagen können:
Heute haben wir gearbeitet!
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