Guernica, 1937
Art,  Artist,  Deutsch

Pablo Picasso – Ein Maler unter Dichtern, ein Dichter unter Malern

Der untenstehende Text ist ein Auszug aus dem Pablo Picasso (ISBN: 9781644618547), von Anatoli Podoksik herausgegeben von Parkstone International.

In der Tat weist alles darauf hin, dass, wenn Picasso in seiner Kunst von etwas abhängig war, so nur von seinem unabänderlichen Bedürfnis, sich mit der ganzen Fülle seines Geistes auszudrücken.

So ging Raffael vor…, seine große Überlegenheit ist die Folge eines tiefen inneren Drangs, die Form zerbrechen zu wollen. Die Form in seinen Werken ist, was sie auch bei uns ist, sie dient der Vermittlung von Ideen, Empfindungen: eine weitreichende Poesie.

Harlekin und seine Gefährtin (Zwei Gaukler), 1901, Pablo Picasso
Harlekin und seine Gefährtin (Zwei Gaukler), 1901. Öl auf Leinwand, 73 x 60 cm, Puschkin-Museum der bildenden Künste, Moskau.

Balzac. Das unbekannte Meisterwerk. Obwohl Picasso von Kindheit an das Leben eines Malers führte, wie er selbst es nannte, und obwohl er sich im Laufe von achtzig Jahren ununterbrochen in den Bildenden Künsten ausdrückte, unterscheidet er sich dem Wesen seines schöpferischen Genies nach von dem, was man gewöhnlich unter einem Künstler-Maler versteht. Es wäre vielleicht am richtigsten, ihn als Maler- Dichter zu betrachten, weil die lyrische Stimmung, das von der Alltäglichkeit befreite Bewusstsein und die Gabe der metaphorischen Verwandlung der Realität seinem plastischen Sehen durchaus nicht weniger eigen sind als dem bildhaften Denken des Dichters.

Picasso, nach dem Zeugnis von Pierre Daix, „empfand sich selbst als Poeten, der dazu neigte, sich in Zeichnungen, Gemälden und Skulpturen zu äußern“. Empfand er sich immer so? Hier ist eine Präzisierung nötig. Ganz bestimmt in den dreißiger Jahren, als er sich dem Verfassen von Versen zuwandte und dann in den vierziger und fünfziger Jahren sogar Bühnenstücke schrieb. Es besteht kein Zweifel, dass Picasso immer, von Anfang an, „Maler unter Dichtern, Dichter unter Malern war“.

Das Begräbnis von Casagemas (Evocation), 1901, Pablo Picasso
Das Begräbnis von Casagemas (Evocation), 1901. Öl auf Leinwand, 146 x 89 cm, Petit Palais, Paris.

Picasso empfand einen starken Hang zur Poesie und war so auch selbst für die Dichter anziehend. Guillaume Apollinaire war bei ihrer Bekanntschaft erstaunt, wie genau der junge Spanier die Qualität rezitierter Gedichte „über die lexikalische Barriere“ hinaus erfühlte. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass die Nähe zu Dichtern wie Max Jacob, Guillaume Apollinaire, André Salmon, Jean Cocteau, Paul Eluard ihre Spuren in jeder wesentlichen Periode seines Schaffens hinterließ, und das Schaffen Picassos selbst stellte sich wiederum als eine einflussreiche Kraft in der französischen und nicht nur der französischen Dichtung des 20. Jahrhunderts dar.

Die Kunst Picassos, die visuell so unverkennbar und manchmal verwirrend dunkel und rätselhaft ist, auch als dichterische Schöpfung zu begreifen, dazu fordert die Einstellung des Künstlers selber auf. Er sagte: „Diese Künste sind schließlich dasselbe; du kannst ein Bild mit Worten genauso schreiben, wie du deine Empfindungen im Gedicht malen kannst.“ Er hatte sogar solch einen Gedanken: „Wäre ich als Chinese zur Welt gekommen, so wäre ich nicht Maler, sondern Schriftsteller geworden. Ich hätte meine Bilder in Worten gemalt.“

Freundschaft, 1908, Pablo Picasso
Freundschaft, 1908. Öl auf Leinwand, 152 x 101 cm, Ermitage, St. Petersburg.

Picasso aber kam als Spanier zur Welt und begann, wie man sagt, früher zu malen als zu sprechen. Bereits als kleines Kind empfand er einen unbewussten Trieb zu den Utensilien der Maler. Stundenlang konnte er in glücklicher Versunkenheit auf dem Papier nur ihm verständliche, aber ganz und gar nicht sinnlose Spirallinien ausführen, oder er zeichnete, fern von den spielenden Gleichaltrigen, seine ersten Bilder in den Sand. Eine so frühe Bekundung ließ eine erstaunliche Gabe vorausahnen.

Die allererste, noch wortlose, unbewusste Lebensphase strömt ohne Daten, ohne Fakten dahin, wie im Halbschlaf, körperlichen und sinnlichen Rhythmen gehorchend, die dem menschlichen Organismus eigen sind oder von außen auf ihn einwirken.

Das Pulsieren des Blutes, das Atmen, das Streicheln warmer Hände, das Schaukeln der Wiege, die Intonation der Stimmen bilden ihren Inhalt. Dann erwacht das Gedächtnis, und zwei schwarze Augen folgen den sich bewegenden Gegenständen im Raum, umfangen die gewünschten Dinge, drücken emotionelle Reaktionen aus. Die größere visuelle Wahrnehmungsfähigkeit determiniert bereits die Objekte, nimmt immer neue Formen auf, erfasst immer neue Horizonte.

Ein Tischchen im Café (Eine Flasche Pernod), 1912, Pablo Picasso
Ein Tischchen im Café (Eine Flasche Pernod), 1912. Öl auf Leinwand, 45,5 x 32,5 cm, Ermitage, St. Petersburg.

Millionen von visuellen Bildern, die zwar vom Auge wahrgenommen, aber noch nicht verstanden werden, finden Eingang in die innere Weltsicht des Säuglings, um sich mit den immanenten Kräften der Intuition zu berühren, mit den angeborenen Reaktionen der Instinkte und den tief verborgenen Stimmen der Vorahnen.

Der Schock der rein sinnlichen Empfindungen ist besonders im Süden stark, wo die große Kraft des Lichtes bald blendet, bald jede Form mit äußerster Schärfe umreißt. Und die wortlose, noch unerfahrene Empfindung des Kindes, das in dieser Gegend zur Welt kam, reagiert auf diesen Schock mit einer unerklärlichen Melancholie, wie einer Art von irrationaler Sehnsucht nach der Form. So ist die lyrische Stimmung der iberischen Mittelmeerküste, des Landes der nackten Natur, das dramatische „Suchen des Lebens um des Lebens willen“, wie der Kenner dieser Empfindungen, Federico Garcia Lorca, schrieb. Vom Romantismus fehlt hier jede Spur: Unter den klaren, exakten Umrissen gibt es keinen Platz für die Sentimentalität, gibt es nur eine Welt, die ein körperliches Gepräge hat. „Wie alle spanischen Maler bin ich Realist“, wird Picasso später sagen.

Weinende Frau, 1937, Pablo Picasso
Weinende Frau, 1937. Öl auf Leinwand, 60 x 49 cm, Tate Gallery, London.

Später kommen die Worte zum Kinde, diese Bruchstücke von Rede, Bausteine der Sprache. Worte sind abstrakte Dinge. Sie werden vom Bewusstsein produziert, um die äußere und die innere Welt widerzuspiegeln. Die Worte sind der Phantasie untergeordnet, die ihnen Bilder, Sinn, Bedeutungen anbietet, und das verleiht ihnen gleichsam die Dimensionen der Unendlichkeit. Worte sind Instrument der Erkenntnis und Instrument der Poesie. Aus ihnen wird die zweite, ausgesprochen menschliche Realität der abstrakten Dinge der denkbaren Welt geschaffen. Später, als Picasso mit Dichtern in freundschaftlicher Verbindung steht, entdeckt er, dass für die schöpferische Vorstellungskraft visuelle und sprachliche Ausdrucksmittel einander gleichwertig sind.

Er überträgt in seine Arbeit Elemente der poetischen Technik: Vieldeutigkeit der Formen, plastische und Farbenmetaphern, Zitate, Reime, „Wortspielereien“, Paradoxien und andere Tropen, die die vorstellbare Welt eines Menschen transparent werden lassen. Absolute Fülle und vollkommene Freiheit der Gestaltung wird die visuelle Poetik Picassos Mitte der dreißiger Jahre erreichen in den Folgen der Bilder mit Frauenaktmodellen, Porträts und Interieurs, die mit „singenden“ und „duftenden“ Farben gemalt sind, und besonders in einer Vielzahl von Tuschzeichnungen, die gleichsam mit einem Hauch auf das Papier gebracht sind.

Guernica, 1937
Guernica, 1937. Öl auf Leinwand, 349,3 x 776,6 cm, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Madrid.

„Wir sind keine einfachen Ausführer; wir durchleben unsere Arbeit.“ Diese Worte Picassos drücken die enge Abhängigkeit seines Schaffens von seinem Leben aus; hinsichtlich seiner Arbeit gebrauchte er auch das Wort „Tagebuch“. Daniel- Henry Kahnweiler, der Picasso mehr als 65 Jahre kannte, schrieb: „Es ist wahr, dass ich sein Schaffen als fanatisch autobiographisch bezeichnet habe. Das ist dasselbe, wie wenn man sagt, dass er nur von sich selbst abhängig war, von seinem eigenen Erlebnis. Er war immer in der Freiheit, niemandem verpflichtet als sich selbst.“ Auf die volle Unabhängigkeit Picassos von den äußeren Bedingungen und Umständen beharrte auch Jaime Sabartés, der ihn das ganze Leben kannte…

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Mehr zu Picassos Meisterwerken finden Sie hier:

Picasso Museum Barcelona

Museo Picasso Málaga

Musée national Picasso-Paris

Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Madrid

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