Der Leuchtturm von l’Hospice, 1864
Art,  Deutsch

Das Genie von Monet: künstlerische Entwicklung und visuelle Poesie

Der untenstehende Text ist ein Auszug aus dem Das ultimative Buch über Claude Monet (ISBN: 9781644618134), von Natalia Brodskaïa und Nina Kalitina, herausgegeben von Parkstone International.

Es ist das Licht, das allem seine Gesetze diktiert: Es färbt die Oberflächen der Gegenstände unterschiedlich, gibt ihnen Dichte oder Durchsichtigkeit und ändert die Umrisse: Mal lässt es die Grenzen der Formen verschwommen erscheinen, mal zwingt es, die Formen kontrastreich, silhouettenhaft wahrzunehmen. Die Bilderserien wurden in Giverny Monets wichtigste Arbeitsmethode.

Sein Lieblingsmotiv waren die Wiesen von Giverny. Wenn während der Grasblüte der Klatschmohn in Stichflammen hervorbrach, erfasste das geübte Auge Monets eine unendliche Vielfalt von Farbtönen.

Auf der Leinwand entstand daraus ein subtiles Mosaik aus winzigsten Pinselstrichen. Paul Cézanne, der Monet vorwarf, bloß stumpfsinnig die Natur abzumalen, sagte eines Tages von ihm. “Er ist nichts als ein Auge„, um jedoch sogleich hinzuzufügen: “Aber was für ein Auge!„

Die Wiege - Camille mit Monets Sohn Jean, 1867
Die Wiege – Camille mit Monets Sohn Jean, 1867. Öl auf Leinwand, 116,2 x 88,8 cm. Sammlung Hr. und Fr. Paul Mellon, National Gallery of Art, Washington, D.C.

Die Wiesen wurden sein ständiger Arbeitsplatz. Dem Mitarbeiter einer großen Zeitschrift, den er zu einem Interview empfing, entgegnete er auf dessen Wunsch, sein Atelier sehen zu dürfen, brüsk:

“Mein Atelier! Aber ich habe niemals ein Atelier gehabt, und ich kann überhaupt nicht verstehen, wie man sich in ein Zimmer einsperren kann. Zum Zeichnen, ja; zum Malen, nein.„ Und mit einer weit ausladenden Geste auf die Seine, die Hügel und die Silhouette des Dorfs weisend, setzte er hinzu: “Sehen Sie, das ist mein Atelier!„

Wenn Monet ein Feld mit Klatschmohn malte, brachte nicht nur die wogende Silhouette der Bäume zum Ausdruck, dass der Wind wehte, sondern die ganze Art, in der das Bild gemalt war. Rote, blaue, grüne Pinselstriche erscheinen wie willkürlich über die Leinwand verstreut.

Ihre Anordnung schafft den Eindruck, dass die Gräser im Windhauch beben und sich zugleich zu einem wundervollen Teppich zusammenfügen. Jedes Fragment einer solchen Landschaft stellt schon für sich genommen eine vollendete Komposition dar.

Als erster Maler des 19. Jahrhunderts war Monet im Stande, die abstrakte Schönheit einer bemalten Leinwand zu begreifen. Wenn Monet Giverny verließ, strebte er meistens auf schnellstem Wege dem Meer entgegen.

Ein Boot wird aus dem Wasser gezogen, Honfleur, 1864, Claude Monet
Ein Boot wird aus dem Wasser gezogen, Honfleur, 1864. Öl auf Leinwand, 55,2 x 82,1 cm. Memorial Art Gallery of the University of Rochester, Rochester (New York).

Im Oktober 1886 begab er sich auf die bretonische Insel Belle-île. An seinen Kunsthändler schrieb er: “Ich sitze in einem kleinen Weiler auf Belle-île und arbeite viel. Die Gegend ist sehr schön, doch sehr wild, aber das Meer ist unvergleichlich schön und die Felsen sind fantastisch. Übrigens heißt die Gegend ,das wilde Meer’.„

Die bretonische Landschaft war mit keiner anderen zu vergleichen. “Ich bin von diesem schaurigen Land begeistert, weil es ganz anders ist als alles, was ich gewohnt bin.„ Während seines Aufenthalts brachen die Herbststürme los: “Seit drei Tagen herrscht hier ein furchtbarer Sturm, ich habe noch nie etwas Ähnliches gesehen.„ Ob es stürmte oder regnete, Monet arbeitete im Freien, auch wenn er sich dazu manchmal an einen Felsen festbinden musste.

Zeuge dieser heroischen Arbeit war der junge Kritiker Gustave Geffroy, ein Begleiter, der später zum Freund wurde. Die unter so schwierigen Bedingungen verrichtete Arbeit trug ihre Früchte: die in der Bretagne entstandenen Seestücke sind außerordentlich ausdrucksstark. Ihre blauen, grünen und bleiweißen Pinselstriche erwecken beim Betrachter den Eindruck, er befinde sich am Ufer des wild bewegten Ozeans und höre seine Brandung gegen die von der Flut zerfurchten Uferfelsen rauschen. Monet malte am häufigsten in der Normandie. Sie war für ihn nicht nur von unerschöpflicher Vielfalt, sie lag auch so nahe, dass er mit seiner ganzen Familie dorthin ziehen konnte.

Monets Anhänglichkeit an die Normandie war frühen Ursprungs. In seiner Jugend hatte Boudin mit ihm die Felsen bei Dieppe bestiegen und ihm die Vielfältigkeit der normannischen Landschaft gezeigt.

Heuschober an Einem Verschneiten Morgen, 1891, Claude Monet
Heuschober an Einem Verschneiten Morgen, 1891. Öl auf Leinwand, 65,4 x 92,4 cm. Museum of Fine Arts, Boston.

In den sechziger Jahren hatte er Étretat und den vom Meer durchgebrochenen Felsen entdeckt, den bereits Courbet gemalt hatte und der riesig wirkt, wenn er als Hintergrund für die an seinem Fuß kreuzenden Fischerboote eingesetzt wird. Auch Monet konnte sich diesem Motiv nicht entziehen.

Was ihn jedoch am meisten interessierte, war der unablässig sich wandelnde Meeresspiegel, der sein farbiges Widerspiel so auf die Felsen wirft, dass sie im Einklang mit Wind, Wolken und Wellen selbst in Bewegung zu geraten scheinen.

1882 schrieb Monet an Alice: “Die Landschaft ist sehr schön, und ich bedaure nur, nicht früher gekommen zu sein. Näher als ich jetzt bin, kann man gar nicht am Meer sein, ich sitze auf dem Felsen selbst, die Wellen umspülen das Haus.„

Er träumte bereits davon, Alice und den Kindern die Steilküste zu zeigen, die Blumenfelder am Meer, die winzigen Fischerdörfer in ihren Buchten. 1883 beobachtete ihn der Schriftsteller Guy de Maupassant bei der Arbeit. In seinem Essay Das Leben eines Landschaftsmalers beschrieb er ihn so:

An diesem Ort bin ich im vergangenen Jahr häufig Claude Monet nachgegangen, wenn er auf der Suche nach Impressionen war. Er verhielt sich dabei eigentlich nicht wie ein Maler, sondern wie ein Jäger. Auf seinem Weg folgten ihm Kinder, die seine Leinwände trugen, fünf oder sechs Stück, auf denen dasselbe Motiv zu unterschiedlichen Tageszeiten und mit verschiedenen Lichteffekten dargestellt war. Er nahm sie sich nacheinander vor und ließ wieder von ihnen ab, je nach den Veränderungen des Himmels. Der Maler stand vor seinem Motiv und wartete, belauerte die Sonne und die Schatten, fing mit wenigen Pinselstrichen einen einfallenden Sonnenstrahl oder eine vorüberziehende Wolke ein und bannte sie unter Verachtung alles Falschen und Herkömmlichen geschwind mit ein paar Pinselstrichen auf die Leinwand.

Waterloo-Brücke, 1900, Claude Monet
Waterloo-Brücke, 1900. Öl auf Leinwand, 65,4 x 92,7 cm. Santa Barbara Museum of Art, Santa Barbara (Kalifornien).

An diesem Ort bin ich im vergangenen Jahr häufig Claude Monet nachgegangen, wenn er auf der Suche nach Impressionen war. Er verhielt sich dabei eigentlich nicht wie ein Maler, sondern wie ein Jäger. Auf seinem Weg folgten ihm Kinder, die seine Leinwände trugen, fünf oder sechs Stück, auf denen dasselbe Motiv zu unterschiedlichen Tageszeiten und mit verschiedenen Lichteffekten dargestellt war. Er nahm sie sich nacheinander vor und ließ wieder von ihnen ab, je nach den Veränderungen des Himmels. Der Maler stand vor seinem Motiv und wartete, belauerte die Sonne und die Schatten, fing mit wenigen Pinselstrichen einen einfallenden Sonnenstrahl oder eine vorüberziehende Wolke ein und bannte sie unter Verachtung alles Falschen und Herkömmlichen geschwind mit ein paar Pinselstrichen auf die Leinwand.

Monets Beispiel regte die Kinder an, es ihm nachzutun. Blanche Hoschedé, Alices erste Tochter, unternahm hier ihre ersten Schritte in der Malerei. Monet erzählte dem Herzog von Treviso, wie es zuging, wenn die Tochter ihm bei der Arbeit half. Bei jeder Lichtveränderung hatte sie für eine frische Leinwand zu sorgen. “Aber wenig später hat sich das Licht wieder geändert. Sie holt eine andere Leinwand, und noch eine Leinwand! Schnell! Und ich habe immer nur an dem Bild gearbeitet, für das der Lichteffekt gerade richtig war.„

Einige der ausgestellten Werke von Monet:

Seerosen und Schmucklilien, um 1914-1917
Seerosen und Schmucklilien, um 1914-1917. Öl auf Leinwand, 140 x 120 cm. Musée Marmottan Monet, Paris.
Der Leuchtturm von l’Hospice, 1864
Der Leuchtturm von l’Hospice, 1864. Öl auf Leinwand, 54 x 81 cm. Kunsthaus Zürich, Zürich.

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