Kennet, 1883
Art,  Art and Design,  Deutsch

William Morris – Eine Revolutionäre Triebkraft im Viktorianischen Großbritannien

Der untenstehende Text ist ein Auszug aus dem William Morris (ISBN: 9781783106578) von Arthur Clutton-Brock, herausgegeben von Parkstone International.

Einige Jahre lang war Morris im Wesentlichen mit seiner Firma und mit den verschiedensten Kunsthandwerken beschäftigt. Er versuchte, wie ein Künstler zu leben, der sich nicht um andere Dinge schert. Er bezog 1871 mit Rossetti ein wunderbares altes, in seinem utopischen Roman News from Nowhere (Kunde von Nirgendwo) beschriebenes Haus am Oberlauf der Themse, das Kelmscott Manor House. Dies sollte ihm eine Zuflucht bieten, doch schon nach kurzer Zeit bedrückte ihn der Widerspruch zwischen seinem Haus und den meisten damaligen Häusern, vor allem denjenigen der ärmeren Bevölkerung, so dass er sich an der Schönheit dieses aus der Vergangenheit stammenden Hauses nicht mehr freuen konnte. Immer stärker zog die Themse, die am Ende seines Gartens ruhig dahin floss, seine Gedanken mit sich in Richtung London, wo die Gegenwart ihre mit Blindheit geschlagenen Vorbereitungen für die Zukunft traf:

„Hark, the wind in the elm-boughs! from London it bloweth,

And telleth of gold, and of hope and unrest;

Of power that helps not, of wisdom that knoweth,

But teacheth not aught of the worst and the best.”

(Horch, wie der Wind in den Elmen von London her weht,

Von Gold, von Hoffnung, von Unrast erzählt,

Von Macht, die müßig ist, von Wissen,

Das nichts uns lehrt über Gut und Böse.)

Rose, 1883, William Morris
Rose, 1883. Bedruckte Baumwolle. Privatsammlung.

So schrieb er zu einem späteren Zeitpunkt, als er sich, wohin er sich auch wandte, dem Lärm Londons und den Fragen, die sich ihm aufdrängten, nicht mehr entziehen konnte. Doch im Augenblick ließ er hier und da Bemerkungen über der Zustand der Gesellschaft fallen, so, als würde dieser ihn in seiner Arbeit stören wie ein lästiges Geräusch, das er nicht abstellen konnte. Er wollte dem modernen Leben Schönheit verleihen.

„Es scheint niemandes Sorge zu sein”, schreibt er 1874 in einem Brief, „Besseres zu tun – auch nicht meine, trotz all meiner Klagen – aber stell Dir vor, die Menschen lebten in kleinen Gemeinschaften zwischen Gärten und grünen Wiesen, so dass sie zu Fuß in fünf Minuten auf dem Land sein könnten, und hätten wenig Bedürfnisse, dächten über die schwierige Kunst nach, sich des Lebens zu erfreuen, […] Dann, so denke ich, bestünde Hoffnung, dass Zivilisation tatsächlich begonnen hat“.

Die Schöne Iseult, 1858, William Morris
Die Schöne Iseult, 1858. Öl auf Leinwand, 71,8 x 50,2 cm. Tate Gallery, London.

Er hatte schon eine klare Vorstellung von der Art Leben, die ihm für die ganze Gesellschaft erstrebenswert schien. In dieser Hinsicht war er anders als viele Revolutionäre, deren Ziel es ist, die bestehende Gesellschaftsform zu stürzen, ohne sich vorher zu fragen, was danach kommen soll. Morris war verwirrt über die gesellschaftliche Maschinerie, weshalb er wenig Neigung hatte, sie auseinander zu nehmen. Nach seinem Gedicht Love is Enough schrieb er eine ganze Weile lang nichts Originelles. „Manchmal”, bemerkte er in einem Brief, „fürchte ich um meine Fantasie. Du weißt, ich habe Angst, meine Einbildungskraft und meine Begeisterung mit dem Alter zu verlieren.”

Tatsächlich sollte das Beste seines Lebenswerks, sowohl was seine Taten als auch seine Schriftstellerei anging, noch kommen. Die vorübergehende Ebbe war nur ein Anzeichen dafür, dass es ihn in viele verschiedene Richtungen zog. Jeder andere hätte diese Zeit nicht als eine Flaute verstanden: Er übersetzte weiterhin Sagen und veröffentlichte 1875 eine Übersetzung von Vergils Aeneis. In diesem Werk zeigen sich auf Grund der Mängel und Verdienste des Originals deutlich Morris’ poetische Grenzen.

Philip Webb, Der Wald (Detail), 1887, William Morris
Philip Webb, Der Wald (Detail), 1887. Vorbereitende Zeichnung für Der Wald. Victoria & Albert Museum, London.

Die Aeneis wurde, obwohl es sich um ein episches Gedicht handelt, nicht wegen ihrer Geschichte erzählt – und wird auch nicht so gelesen. Sie hat alle möglichen Verdienste mit Ausnahme der Schwungkraft, die nur ein guter Erzähler einer Geschichte geben kann. Das Auge des Lesers ruht auf den wunderbaren Passagen, nichts drängt ihn, zu erfahren, was als Nächstes geschieht. Vergil ist ein Dichter, der über seinem Thema brütet, Gedanken, nicht Handlung, stehen im Mittelpunkt, und seine Sprache, wenn auch nicht obskur, ist doch kompliziert und verwoben.

Morris hingegen war ein geborener Geschichtenerzähler; seine Sprache ist im Vergleich zu Vergils schlicht, schnell und flüssig. Bei seiner Übersetzung der Aeneis hielt er sich zu eng an den Originaltext als dass daraus eine gute Geschichte geworden wäre; gleichzeitig war er nicht imstande, in seiner eigenen Sprache die Feinheiten des Griechischen wiederzugeben. J. W. Mackail meinte, Morris hätte die Aeneis in ein rein erzählendes Gedicht verwandelt und sei deshalb genau so gescheitert, als hätte er Miltons Paradise Lost aus einer fremden Sprache ins Englische übertragen müssen. So kann Morris’ Übersetzung zwar mit Vergnügen gelesen werden, aber sie liest sich wie eine der Erzählungen aus seinem The Earthly Paradise und nicht wie die Aeneis.

Das „Geißblatt” – Zimmer, 1887, William Morris
Das „Geißblatt” – Zimmer, 1887. Wightwick Manor, West Midlands. © NTPL/Andreas von Einsiedel.

Die Partnerschaft Morris & Co. wurde 1875 aufgelöst, und dies war auch das Ende der Freundschaft mit Rossetti. Es kam zu Unstimmigkeiten über die Bedingungen der Geschäftsauflösung zwischen Morris auf der einen und Rossetti, Madox Brown und Marshall auf der anderen Seite. Mit Brown söhnte sich Morris später wieder aus, nicht jedoch mit Rossetti, der damals geistig und körperlich krank war. Tatsächlich war der Streit im Zusammenhang mit der Firma nur der letzte in ihrem Zerwürfnis. Morris, einst Rossettis glücklicher Sklave, hatte sich emanzipiert und verfolgte inzwischen andere Werte und Ideale.

„Ich kann nicht sagen“, schrieb er in einem Brief nach Rossettis Tod, „wie es kam, dass Rossetti so gar kein Interesse an der Politik hatte. […] In Wahrheit hielt er nichts hoch außer den Interessen des Einzelnen, vor allem natürlich im Kontext von Kunst und Literatur; während er sich stark engagieren konnte, um einem Einzelnen in seelischer oder körperlicher Not zu helfen, konnte er keinerlei Interesse aufbringen für die Übel der Massen. Ich denke, es bedarf einer hoffnungsvollen Einstellung, um ein selbstloses Interesse an der Politik aufzubringen, und Rossetti fehlte diese Hoffnung.”

Erfahren Sie mehr über William Morris auf:

William Morris Gallery

William Morris Society

Victoria and Albert Museum

The Museum of Modern Art

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