
Bauhaus: Ausdruck einer Generationenutopie und Gesellschaft
Der untenstehende Text ist ein Auszug aus dem Bauhaus (ASIN: B016XN124U), von Michael Siebenbrodt und Lutz Schöbe herausgegeben von Parkstone International.
Das Bauhaus war eine der bedeutsamsten und folgenreichsten kulturellen Erscheinungen des 20. Jahrhunderts. Darüber besteht kein Zweifel. Seine Rezeption ist mehr denn je ein Phänomen von globaler Dimension. Heute ist das Bauhaus im allgemeinen Bewusstsein verankert. Es erfährt hohe Wertschätzung, wird je nach Interessenlage gelegentlich mystifiziert, aber auch denunziert. Es überwiegen jedoch Anerkennung und positive Wertschätzung. Die Werke der Bauhaus-Künstler finden heute in den großen Museen der Welt ungeteilte Bewunderung und Interesse. Ihre Gestaltungslehren fanden und finden, wenn auch zumeist herausgerissen aus einem komplexen Gesamtzusammenhang, Beachtung sowohl an vielen renommierten Architektur- und Kunstausbildungsstätten als auch an allgemeinen Bildungseinrichtungen im einfachen Kunsterziehungsunterricht. Produkte des Bauhauses – etwa die berühmten Stahlrohrmöbel von Marcel Breuer – avancierten zu wohlfeil angebotenen Designklassikern. Bauten des Bauhauses, so die Wirkungsstätten in Weimar und Dessau, haben Architekturgeschichte geschrieben und gehören heute zum kulturellen Erbe der Menschheit. Das Bauhaus ist in die Kunstgeschichte als Kunstschule der Moderne eingegangen.

Es ist, fast ein Jahrhundert nach seiner Gründung, noch immer aktuell. Das zeigt sich nicht nur in einem gesteigerten institutionellen Interesse, in einem kaum abklingenden Ausstellungsboom, in der Vielzahl neu erscheinender Publikationen und dem ungebrochenen Medieninteresse, sondern auch im Bereich der architekturtheoretischen Forschung, in der Untersuchungen zum Funktionalismus, einer mit dem Bauhaus eng verbundenen allgemeinen Gestaltungskonzeption. Die Schaffung eines neuen Menschen für eine neue, humanere Gesellschaft, das war das eigentliche Ziel des Bauhauses. Es blieb historisch unerfüllt. Sollte die Intervention des Philosophen und Soziologen Jürgen Habermas hinsichtlich der „Moderne als unvollendetes Projekt“ auch so zu verstehen sein?
Dieses Buch beschränkt sich darauf, die Geschichte des Bauhauses in einem mehr oder weniger groben Überblick darzustellen. Die Autoren können sich dabei auf eine Vielfalt bereits vorliegender Publikationen, aber auch auf eigene Veröffentlichungen zum Thema beziehen. Der Anspruch liegt nicht darin, aus gegenwärtiger Sicht das Bauhaus einer prinzipiellen Kritik zu unterziehen, sondern vielmehr in der Absicht, in einer möglichst sachlichen Argumentation in den wichtigsten Punkten und keineswegs vollständig schlicht das darzustellen, was gewesen ist. Insofern richtet sich dieses Buch an den interessierten Leser und weniger an den kenntnisreichen Fachmann. Wenn damit einseitige Rezeptionsmuster, die im Zusammenhang mit dem Bauhaus von einem harmonischen, widerspruchs- und konfliktfreien, „fortschrittlichen“ und traditionsfernen Gebilde ausgehen, aufgebrochen werden, schätzen sich die Autoren glücklich.

Die Darstellung beginnt mit Hinweisen auf die Vorläufer des Bauhauses, auf seine Einbettung in die Zeitgeschehnisse und auf die Umstände, die zu seiner Gründung führten. In einem kurzen Überblick werden die innere Struktur der Schule, ihre einzelnen Wirkungsstätten in Weimar, Dessau sowie Berlin und die Konzeptionen ihrer drei Direktoren Walter Gropius, Hannes Meyer und Ludwig Mies van der Rohe vorgestellt. Das darauf folgende Kapitel informiert über die Lehr- und Ausbildungsstruktur des Bauhauses und stellt die Unterrichtskonzepte der wichtigsten Lehrer vor. Größere Aufmerksamkeit wird den Bauhaus-Werkstätten, ihrer jeweiligen Struktur, dem Leistungsspektrum und den Modifikationen unter den verschiedenen Direktoren zugewiesen. Dem folgen kurze Kapitel zu übergreifenden Fragestellungen, wie denen zur Architektur, zur Fotografie, zur Bildenden Kunst am Bauhaus sowie zu Leben und Arbeiten. Den Abschluss bildet ein knapper Überblick über die Wirkung und Rezeption des Bauhauses von den Anfängen bis zur Gegenwart.
Nachdem der belgische Künstler Henry van de Velde am 25. Juli 1914, wenige Tage nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, dem Weimarer Großherzog sein Entlassungsgesuch als Direktor der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule unterbreitet hatte, wurde sein Vertrag bis zum 1. Oktober 1915 befristet und die Schule zu diesem Termin geschlossen. Van de Velde empfahl dem Großherzoglich Sächsischen Staatsministerium für seine Nachfolge die deutschen Architekten August Endell (1871 bis 1925) und Walter Gropius sowie den Schweizer Bildhauer Hermann Obrist (1863 bis 1927). Seit Oktober 1915 entwickelte sich ein reger Briefwechsel zwischen dem Maler und Direktor der Großherzoglich Sächsischen Hochschule für bildende Kunst in Weimar, Fritz Mackensen (1866 bis 1953), und Walter Gropius über eine anzugliedernde Abteilung Architektur und angewandte Kunst, zu deren Leiter Gropius berufen werden sollte, der im Dezember zu einer persönlichen Aussprache in Weimar weilte und beim Großherzog eine Audienz erhielt. Am 25. Januar 1916 übersandte Walter Gropius auf Anforderung des Weimarer Staatsministeriums seine Vorschläge zur Gründung einer Lehranstalt als künstlerische Beratungsstelle für Industrie, Gewerbe und Handwerk. Ein Jahr später machte das Professorenkollegium der Kunsthochschule eine Eingabe an das Staatsministerium mit Reformvorschlägen, insbesondere zur Ergänzung des Lehrprogramms in Richtung Architektur, Kunstgewerbe und Theaterkunst.

Am 3. November 1918 begann die Revolution in Deutschland, die am 8. November auch Weimar erreichte. Am 9. November rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann (1865 bis 1939) am Reichstag die „Deutsche Republik“ aus, zwei Stunden später Karl Liebknecht am Berliner Schloss eine „Freie Sozialistische Republik“. Der Kaiser und alle deutschen Fürsten dankten ab, ohne dass weit gehende gesellschaftliche Umwälzungen erfolgten.
Am 3. Dezember 1918 fand die erste Sitzung der Novembergruppe in Berlin statt. Dies war eine Vereinigung von Künstlern und Architekten wie Lyonel Feininger (1871 bis 1956), Wassily Kandinsky, Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe, aber auch Max Pechstein (1881 bis 1955), Otto Dix (1891 bis 1969), George Grosz (1893 bis 1959) oder Hans Poelzig (1869 bis 1936), die ihren Beitrag zum Aufbau der jungen Republik leisten wollten. Parallel dazu formierte sich der Arbeitsrat für Kunst, unter anderem mit einer Arbeitsgruppe zur Reformierung des Bildungswesens unter Leitung des Architekten Otto Bartning (1883 bis 1959), an der auch Gropius mitarbeitete. Eine zentrale Frage war die Herstellung der Chancengleichheit für alle Kinder durch eine Einheitsschule in Verbindung mit der Idee der Arbeitsschule. Besonderes Augenmerk wurde auf die Reformierung der Kunstschulen gelegt. In nur leicht abgewandelter Form fanden die Diskussionsergebnisse ihren Niederschlag im Programm und Manifest des Bauhauses von Walter Gropius, das mit dem Titelholzschnitt von Lyonel Feininger im April 1919 erschien. Die Wiedervereinigung aller künstlerischen Disziplinen am Bau in Verbindung mit Handwerk und Werkstatt als Ausbildungsbasis standen im Mittelpunkt der Programmatik. Die Meister, Gesellen und Lehrlinge des Bauhauses sollten eng mit der Industrie und dem öffentlichen Leben „Fühlung nehmen“ und freundschaftlichen Verkehr untereinander außerhalb der Arbeit mit Theater, Vorträgen, Musik und „… heiterem Zeremoniell bei diesen Zusammenkünften“ aufbauen.

Ein besonderes Symbol für diesen Aufbruch war das erste Bauhaussignet „Sternenmännchen“, mit dem der Student Karl Peter Röhl (1890 bis 1975) den studentischen Wettbewerb gewonnen hatte. Im Mittelpunkt steht der strichförmig abstrahierte Mensch mit nach oben gestreckten Armen in bewusster Anlehnung an Leonardo da Vincis (1452 bis 1519) Idealmenschen im Kreis und Quadrat, zugleich aber auch als altgermanische Doppelrune „Mann-Frau“ mit einem kreisförmigen Kopf, der mit seiner schwarzen und weißen Hälfte die höchste Abstraktionsstufe des chinesischen Yin und Yang darstellt. Dieser Bauhaus-Mensch trägt über sich eine Pyramide als das antike Symbol für die Einheit von Gesellschaft, Kunst und Religion. Er wird von der Sonne als Swastika, dem buddhistischem Glückssymbol, Mond und Stern umkreist. Weltkulturen und Weltreligionen bildeten den humanistischen Hintergrund für die Zukunftsvisionen des Bauhauses…
Entdecken Sie mehr auf:
Bauhaus-Archiv, Museum für Gestaltung
Stiftung Meisterhäuser Dessau Meisterhaus Kandinsky – Klee
Klassik Stiftung Weimar/Bauhaus-Museum Theaterplatz
Bauhaus-Museum Weimar Am Theaterplatz
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