
Ilja Repin – Der begabte Künstler der Gruppe “The Itinerants”
Vom 5. Oktober 2021 bis 23. Januar 2022 präsentiert das Petit Palais die erste französische Retrospektive, die Ilya Repin gewidmet ist, einem der ganz Großen der russischen Kunst: Ilya Répine (1844-1930) – Painting the soul of Russia. Informieren Sie sich einfach in dieser Sonderausstellung!
Video über eine Person, die aus einer Vielzahl von Pinseln auswählt von Yaroslav Shuraev von Pexels
Der untenstehende Text ist ein Auszug aus dem Ilja Repin (ASIN: B00J86V6F0), von Grigori Sternin und Jelena Kirillina herausgegeben von Parkstone International.
Repins poetisches Weltbild
Kein anderer russischer Maler des 19. Jahrhunderts errang bei Lebzeiten so großen Ruhm wie Ilja Jefimowitsch Repin. Nach Meinung der fortschrittlichen Öffentlichkeit Russlands nahm er in der bildenden Kunst einen ähnlichen Platz ein wie Leo Tolstoi auf dem Gebiet der Literatur. Während eines Vierteljahrhunderts war man auf jedes neue Gemälde von Repin gespannt, und seine Beiträge in der Presse, die um die Wende zum 20. Jahrhundert besonders zahlreich waren, stellten jedesmal ein großes Ereignis im Kulturleben Russlands dar.

Repin, der die akuten sozialen Probleme und die geistigen Bestrebungen seiner Zeit erkannte und verstand, bestimmte mit seinen Werken die wesentlichsten Züge des russischen Realismus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und trug dazu bei, dass die bildende Kunst Russlands einen bedeutenden Platz im Entwicklungsprozess der gesamteuropäischen Kultur einnahm. Der Maler war noch sehr jung, als seine im Ausland ausgestellten Gemälde die Kritiker aufmerksam werden ließen. Als die ersten selbständigen Werke Repins erschienen, wurde offensichtlich, dass auf russischem Boden eine von sozialem Verantwortungsgefühl durchdrungene Kunst an Kraft gewann, die dem Schaffen so bedeutender Realisten wie Gustave Courbet in Frankreich, Adolph Menzel in Deutschland und Mihály von Munkácsy in Ungarn verwandt war.
Repins poetisches Weltbild zeichnet sich durch besondere geistige Ganzheitlichkeit aus aufgrund der Vielfalt seiner schöpferischen Aufgaben und der Breite der Wirklichkeitsgestaltung. Diese Einstellung entsprach dem allgemeinen Charakter der demokratischen ästhetischen Kultur Russlands in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die bestrebt war, sich der Verantwortung für ihre gesellschaftliche und historische Sendung bewusst zu werden.

Wie viele andere bedeutende Meister hatte auch Repin seine Lieblingsthemen und bevorzugten Motive, und es gab einen bestimmten Kreis von Personen, die er besonders gern porträtierte. Aber sein ästhetisches Programm beschränkte sich nicht nur auf dieses Gebiet, denn er hatte die erstaunliche Gabe, die „Idee“ seiner Epoche zu erkennen, und das Spiegelbild dieser Idee in den privaten Schicksalen und Charakteren der Menschen zu erblicken. Es genügt nicht festzustellen, dass die Personen auf Repins Gemälden und die Modelle seiner Bildnisse zeitgebunden sind; diese Eigenschaft ist in den Werken vieler Maler jener Epoche zu beobachten. Die Menschen in Repins Gemälden und Zeichnungen aber sind die historische Wirklichkeit selbst mit ihren Leiden, Hoffnungen, geistigen Energien und qualvollen Widersprüchen.
„Wie im Leben“ – mit diesen Worten wird des Öfteren die Qualität und die künstlerische Überzeugungskraft von Repins Werken begründet. Und in der Tat spiegeln sich in diesem Eindruck die wesentlichen poetischen und stilistischen Grundsätze seines Schaffens wider. Doch wenn man diesen Eindruck in eine universelle Charakteristik ummünzt, so wird das Wesen des Repinschen Realismus zu sehr vereinfacht. Betrachtet man Repins Werke aus dieser Sicht, so entgleitet einem das Hauptsächliche, nämlich der mächtige schöpferische Wille des Künstlers, die Aktivität der gedanklichen Konzeption und die gewaltige Meisterschaft des Malers, kurz alles, was das Leben in seinen Bildem nach den Gesetzen der großen Kunst verwandelt erscheinen lässt. Wer diese schöpferische Kraft der plastischen Sprache Repins erfasst, wird in das poetische Weltbild des Malers eindringen – des Schöpfers der Gemälde Unerwartet und Kreuzprozession im Gouvernement Kursk, der Porträts von Modest Mussorgski und Pelageja Strepetowa.
Die Suche nach der Wahrheit und dem Ideal lenkte das schöpferische Denken Repins in verschiedene Richtungen, gestützt auf verschiedene Aspekte der sozialen und geistigen Erfahrung der Persönlichkeit des Künstlers sowie auf verschiedene Impulse aus der nationalen Kulturtradition. Wie die meisten seiner Kollegen – die Vertreter der russischen realistischen Malschule der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – fand Repin die in seinen Werken verarbeiteten dramatischen Konflikte am häufigsten in der Wirklichkeit selbst, und zwar entweder in der Gegenwart oder in der lange zurückliegenden Vergangenheit. Viel seltener, aber nicht weniger zielbewusst wandte er sich mythologischen Themen zu. Einige seiner Bilder, in denen er biblische Sujets und Motive christlicher Legenden behandelt, zählen mit Recht zu den bedeutendsten Werken des Malers. Wenn man von den Sujets der Repinschen Werke spricht, so kommt es darauf an, die Logik ihres wechselseitigen Zusammenhangs mit den in jener Zeit herrschenden allgemeinen Vorstellungen vom Sinn des menschlichen Lebens zu verstehen.
Drei der berühmtesten Gemälde von Ilya Repin
BILDNIS DER TOCHTER NADJA REPINA, 1881, Öl auf Leinwand, 66 x 54 cm, Radischev Kunstmuseum, Saratow
Wie anstrengend und langweilig das Leben eines Models sein kann, zeigt und beweist Nadja, die hier etwa vierjährige Tochter Repins auf diesem Porträt aus dem Jahr 1881, das somit etwa ein Jahr vor der Trennung von seiner Frau Vera geschaffen wurde. In demselben Jahr hatte Repin eine ganze Reihe von Porträts bekannter russischer Persönlichkeiten vollendet, von denen er zumindest einige – u. a. auch den Dichter Leo Tolstoi (1828-1910) – im Salon des bekanntesten Kunstkritikers jener Jahre, Wladimir Stassow (1824-1906), kennengelernt hatte. Stassow konnte Repin damit in die etwas finanzkräftigeren Kreise einführen – eine für den bis dahin zumindest finanziell nicht allzu erfolgreichen Künstler nahezu lebensnotwendige Maßnahme.

Repin hatte sich 1876 nach der Rückkehr von seinem nach drei Jahren abgebrochenen Auslandsaufenthalt, der ihn nach Frankreich, Italien und Österreich geführt hatte, dazu entschlossen, Themen aus der russischen Geschichte auszuwählen. Die ab 1881 entstandenen Porträts sind als Auftragsarbeiten zu betrachten, die sich der Mäzen und Kunstsammler Pawel Michailowitsch Tretjakow (1832-1898) für seine Galerie wünschte. Zu diesen Porträts gehörte übrigens auch das letzte Porträt des kranken Komponisten Modest Mussorgski.
In diesen 1880er Jahren stand Repin somit finanziell ganz gut da, was Nadjas elegantes Kleidchen in diesem Bild erklären könnte. Sie ist vom langen Stillsitzen müde geworden, der schwarze Wuschelkopf ist im Kissen zur Seite gesunken, ihr Blick scheint träumerisch auf einem Objekt außerhalb des Bildes zu verweilen.
BILDNIS DER SCHAUSPIELERIN PELAGEJA STREPETOWA 1882, Öl auf Leinwand, 61 x 50 cm, Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau
Pelageja Strepetowa (1850-1903), eine in Nischni Nowgorod, einer Stadt, die mit ihrem Proletariat in Romanen Leo Tolstois (1828-1910) eine Rolle spielt und sich aufgrund ihrer Lage am Zusammenfluss von Oka und Wolga bereits Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer einflussreichen Handelsmetropole entwickelt hatte, geborene Schauspielerin war eine außergewöhnlich temperamentvolle Frau.

Pelageja Strepetowa hatte sich – eine nicht nur zur damaligen Zeit außergewöhnliche Leistung – autodidaktisch zur Schauspielerin herangebildet und in ihren Studienjahren mit den ästhetischen Ideen der beiden Philosophen Wissarion Belinski (1811-1848) und Nikolai Dobroljubow (1936-1861) beschäftigt. Sie arbeitete von 1881 bis 1890 an der ältesten Bühne Russlands, dem von der Kaiserin Elisabeth (Jelisaweta Petrowna Romanowa; 1709-1761) bereits 1756 durch einen Ukas (Anm: kaiserliches oder kirchliches Edikt) gegründeten Alexandra-Theater (heute: Alexandrinskij-Theater) in St. Petersburg. Pelageja Strepetowa galt vor allem als überragende Interpretin der Stücke der Dramatiker Alexander Nikolajewitsch Ostrowski (1823-1886) und Alexsej Pissemski (1820-1881; Gorkaya Sudbina – Ein bitteres Schicksal).
Wann sie ihren Schauspielerkollegen I. Pissarev heiratete, ist nicht überliefert. Weil sie sich mit der recht konservativen Theaterleitung überworfen hatte, trat sie später nur noch in der Provinz auf. Repin hat sie als eine energische, selbstbewusste junge Frau porträtiert – die sie auch war. Ein anderer Maler, Nikolai Alexandrowitsch Jaroschenko (1846-1898) hat sie zwei Jahre nach Repin dagegen als eher nachdenkliche Mittdreißigerin dargestellt.
NONNE, 1887, Öl auf Leinwand, 124 x 90 cm, Museum der russischen Kunst, Kiew

Zwei Jahre nach seiner Rückkehr von der enttäuschenden Westeuropareise, die ihm das Stipendium der Akademie der Künste in St. Petersburg nach seiner bravourösen Abschlussarbeit eingebracht hatte, wandte sich Repin russischen Themen zu. In der Orthodoxen Kirche Russlands legte man für den Gottesdienst, an dem Frauen beteiligt sind, den Ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther zugrunde, in dessen elften Kapitel es heißt: „[…] Jede Frau, die mit unverhülltem Haupt betet oder prophetisch redet, entehrt ihr Haupt; denn es ist gerade so als wäre sie geschoren. […]“ An anderer Stelle im gleichen Kapitel folgt dann: „[…] Der Mann darf sich nämlich nicht das Haupt verhüllen, weil er Bild und Abglanz Gottes ist; die Frau dagegen Abglanz des Mannes. […]“ Damit ist nun offen, ob es sich bei Repins Porträt um eine Nonne oder eine ganz normale Kirchgängerin handelt, die auf dem Weg zur Kirche ist und sich an deren Vorschriften hält. Repin schuf ein düsteres Bild einer mit einem ganz dunkelbraunen, fast schon schwarzen Umhang und gleichfarbenem Kopftuch, das nur das strenge Antlitz freilässt, völlig verhüllten Frau, deren Umriss nur soeben vor einem nur stellenweise geringfügig helleren Hintergrund zu erkennen ist. Sie schaut den Betrachter nur aus den Augenwinkeln heraus an – abwartend, unsicher, vorsichtig.
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