Francis Bacon, Triptychon August, 1972
Art,  Deutsch,  Erotic

Gay Art: Die Entwicklung der emotionalen Wahrnehmung bei Homosexuellen

Einleitung Video Credit: Countdown-Zähler Zahlen Video von Dimitris Christou von Pixabay und Paar zu Fuß auf dem Gras von Pavel Danilyuk von Pexels

Der untenstehende Text ist ein Auszug aus dem Gay Art von James Smalls, herausgegeben von Parkstone International.

Kunst und Homosexualität mag wie eine merkwürdige Kombination wirken. Beide Phänomene sind, seit es eine Überlieferung gibt, jedoch Teil der Geschichte der Menschheit…

In den 1880er Jahren erweckte Kertbenys griffige neue Bezeichnung die Aufmerksamkeit von Richard von Krafft- Ebing, einem bekannten Sexualwissenschaftler, der das Wort in seinen äußerst populären Psychopathia Sexualis (1886-87), einer umfassenden Enzyklopädie sexueller Abweichungen, verwandte. Durch diese Publikation und weitere Arbeiten bekannter Sexualwissenschaftler des späten 19. Jahrhunderts erlangte der Begriff „Homosexualität“ seine medizinischen und klinischen Konnotationen. Krafft-Ebing war ein wichtiger Vertreter der Erforschung des menschlichen Sexualverhaltens vor der Kodifikation der modernen Psychologie und Psychoanalyse im Gefolge der Gedanken und Schriften Sigmund Freuds (siehe Gregory W. Bredbeck, „Sexology“, in Haggerty). Der Begriff „Homosexualität“ fand erst in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts Eingang in die englische und amerikanische Alltagssprache, im Wesentlichen als Folge des Kinsey-Reports von 1948. Alfred Kinseys wissenschaftliche Daten zur menschlichen Sexualität stellten die bis dahin herrschende Sicht der Homosexualität als eine Geisteskrankheit in Frage.

Peter Paul Rubens, Jupiter und Callisto, 1613, Homosexuell
Peter Paul Rubens, Jupiter und Callisto, 1613. Öl auf Leinwand, 202 x 305 cm. Staatliche Museen, Kassel.

Das Konzept „Homosexualität“ umfasst ein ganzes Spektrum einander widersprechender Ideen über die Geschlechter und gleichgeschlechtliche Beziehungen. Gerade dieses große Spektrum möglicher Bedeutungen macht „Homosexualität“ heute zu einem so unwiderstehlichen, mächtigen und mehrdeutigen Konzept. In seiner modernen Bedeutung bezeichnet „Homosexualität“ sowohl einen psychologischen Zustand als auch erotisches Verlangen und sexuelle Praktiken (David Halperin, „Homosexuality“, in Haggerty). Alle drei Bedeutungsgehalte werden mit Mitteln der Kunst artikuliert.

Die Homosexualität oder, um einen neueren Ausdruck zu gebrauchen, die Homoerotik kann als ein tatsächliches oder potenzielles Element der Erfahrung eines jeden Individuums verstanden werden, welche sexuelle Orientierung der Einzelne auch immer hat. Homosexualität und Homoerotik überschneiden sich häufig, sind aber nicht notwendigerweise identisch. Viele der Bilder in diesem Buch sind eher homoerotischer als homosexueller Natur. Die Unterschiedlichkeit der Begriffe „homosexuell“ und „homoerotisch“ ist nicht allein in den Grundbedeutungen von „sexuell“ und „erotisch“ begründet. Während „sexuell“ sich auf die körperliche Seite der Sexualität bezieht, geht es bei der Homoerotik um ein Konzept, das eine ganze Bandbreite an Ideen und Gefühlen über gleichgeschlechtliche Wünsche, Bedürfnisse und Sehnsüchte betrifft, die nicht immer in Geschlechtsverkehr kulminieren. Anders als die Homosexualität legitimiert die Homoerotik erotische Sehnsüchte zwischen Mitgliedern desselben Geschlechts, indem diese Gefühle in einen Kontext eingebettet werden, der sie begründet – wie den Klassizismus, militärische Strukturen, athletische Wettkämpfe etc.

Thomas Eakins, Arkadia, ca. 1883, Homosexuell
Thomas Eakins, Arkadia, ca. 1883. Öl auf Leinwand. The Metropolitan Museum of Art, New York.

Auf diese Weise wird die Homoerotik verschleiert und nicht als abweichendes Verhalten wahrgenommen. Während alle Homosexuellen homoerotische Sehnsüchte kennen, sind keineswegs alle, die homoerotische Gefühle empfinden und schätzen, notwendigerweise homosexuell. Homoerotische Gefühle können für manche heterosexuelle Menschen eine derart erschreckende Erfahrung sein, dass sie mit ablehnenden homophoben Emotionen reagieren. Homoerotische Empfindungen stehen auch in Verbindung mit dem neueren Konzept homosozialer Beziehungen. Männliche homosoziale Beziehungen spielen in allen ausschließlich männlichen Milieus eine Rolle und sind ein Instrument, mit dem Männer ihre Identität konstruieren und ihre Privilegien und soziale Machtstellung, die sie zumeist auf Kosten der Frauen genießen, konsolidieren (siehe Eve Sedgwick, Between Men: English Literature and Male Homosocial Desire (New York: Columbia University Press, 1985). Es gibt natürlich auch weibliche homosoziale Beziehungen, aber ihre Wirkungsweisen sind vor dem Hintergrund einer patriarchalischen Kultur völlig andere.

Obwohl die männliche und die weibliche Homosexualität oft scharf voneinander getrennt werden, werden sie in diesem Buch zusammen thematisiert. Der Begriff „Homosexualität“ bezieht sich dabei grundsätzlich auf Beziehungen zwischen Männern, wenn er nicht ausdrücklich auf weibliche Homosexualität angewandt wird.

Georg Pauli, Junge Männer, badend, 1914, Homosexuell
Georg Pauli, Junge Männer, badend, 1914. Öl auf Leinwand. Nationalmuseum, Stockholm.

Die Begründung hierfür findet sich in der Tatsache, dass die meisten Gesellschaften männlich dominiert und geprägt sind und die sexuellen Aktivitäten des Mannes eine größere Rolle spielen als die der Frauen.

Im Vergleich zur Kunst von und über homosexuelle Männer „…zeigt die geringe Menge an Kunst von oder über Lesbierinnen, dass die kulturelle Überlieferung von Männern dominiert wird“ (Saslow). Der absolut überwiegende Teil der tradierten literarischen und künstlerischen Belege wurde von Männern geschaffen und befasst sich deshalb zumeist mit den Aktivitäten von Männern.

Die Definition der Homosexualität wird ferner durch die Unterschiede zwischen der modernen und vormodernen Perspektive erschwert. In der aktuellen Fachliteratur zu diesem Thema gibt es eine heftige Kontroverse darüber, ob man den Begriff „homosexuell“ auf gleichgeschlechtliche Beziehungen in nicht-westlichen, vormodernen und alten Kulturen anwenden kann. Wie das Wort „Sexualität“ beschreibt „Homosexualität“ ein kulturell determiniertes Konzept der modernen westlichen Gesellschaft.

Wilhelm von Plüschow, Zwei Frauen, ca. 1900, Homosexuell
Wilhelm von Plüschow, Zwei Frauen, ca. 1900. Fotografie.

Auf diese Weise oktroyiert man der alten und vormodernen Welt moderne und westliche Ideen des Ich und des Anderen auf, wenn man das Konzept „Homosexualität“ auch auf historische Erscheinungen anwendet. In den meisten alten und vormodernen Kulturen gibt es keinen vergleichbaren Begriff zur Beschreibung des Zustands der Homosexualität oder homosexueller Praktiken. Jeder Versuch, die Darstellungen von Männern in alten Kunstwerken oder Texten mit dem Status oder den Praktiken moderner Homosexueller gleichzusetzen, wäre anachronistisch. Zudem ist das moderne Konzept „Homosexualität“ mit einem negativen moralischen Stigma behaftet, das jede positive Würdigung männlicher oder weiblicher gleichgeschlechtlicher Praktiken in vormodernen Gesellschaften verstellt. Aber auch wenn die Menschen der Vergangenheit das moderne Konzept „Homosexualität“ nicht im Kopf hatten, heißt dies nicht, dass es keine Homosexualität und keine Homophobie gab…

Um einen besseren Einblick in Gay Art zu erhalten, setzen Sie dieses spannende Abenteuer fort, indem Sie auf Amazon USAmazon UKAmazon FrenchAmazon MexicoAmazon ItalyAmazon SpainAmazon CanadaAmazon BrazilAmazon JapanAmazon IndiaAmazon NetherlandsParkstone InternationalCiandoSchweitzerEx LibrisSack Mediengruppebol.com

Entdecken Sie einige Bücher aus unserer Erotik-Kunst-Kollektion:

Parkstone International is an international publishing house specializing in art books. Our books are published in 23 languages and distributed worldwide. In addition to printed material, Parkstone has started distributing its titles in digital format through e-book platforms all over the world as well as through applications for iOS and Android. Our titles include a large range of subjects such as: Religion in Art, Architecture, Asian Art, Fine Arts, Erotic Art, Famous Artists, Fashion, Photography, Art Movements, Art for Children.

Leave your thoughts here

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.

Share via
Copy link
Powered by Social Snap
%d bloggers like this: