Damenschuh aus blauem Leder, mit Silberstickerei verziert, Italien, 17. Jh, Schuhe
Art,  Art and Design,  Deutsch

Die Kunst der Schuhe – eine 40.000-jährige Geschichte

Der untenstehende Text ist ein Auszug aus dem Die Kunst der Schuhe (ISBN: 9781783106295) von Marie-Josèphe Bossan, herausgegeben von Parkstone International.

Als notwendiger Bestandteil des täglichen Lebens, für den sich Zeitgenossen höchstens aus Bequemlichkeits- und Eleganzgründen interessieren, nimmt der Schuh eine äußerst wichtige Stellung in der Kulturgeschichte und eine nicht weniger wichtige in der Kunstgeschichte ein. Der Schuh, ein zum Gehen notwendiger Artikel des alltäglichen Lebens, kann aufgrund seiner Ästhetik zum Kunstwerk erhoben werden.

Das Osmanische Reich

Jean-Etienne Liotard reiste mit Begeisterung. Er schifft sich 1738 in Richtung Konstantinopel ein. Dank seiner guten Beobachtungsgabe malt und zeichnet er die Menschen, denen er dort begegnet. Er ist der „türkische Maler“ der Aufklärung in Europa. Mit fotografischer Genauigkeit stellt er auf diesem Porträt die Holzpantinen und die Umgebung, die ihren Gebrauch erforderlich machen, dar: Sie schützen ihre Trägerin vor Feuchtigkeit. Wir sehen, dass die Sklavin im Gegensatz zu ihrer Herrin keine Schuhe trägt und ihre Füße nur mit Henna bemalt sind.

Jean-Etienne Liotard, Türkische Frau und ihre Sklavin, Die Kunst der Schuhe
Jean-Etienne Liotard, Türkische Frau und ihre Sklavin, 18. Jh. Musée d’Art et d’Histoire, Genf.

In der Türkei und zahlreichen anderen orientalischen Ländern begeben sich die Frauen mit überhöhten Holzpantinen ins Bad. Das Holz ist mit Perlmutt- oder Elfenbeinintarsien verziert, mit Silber überzogen und mit einem mit Gold- und Silberfäden reich bestickten Band versehen. Die Verschiedenartigkeit der Modelle gibt uns eine umfassende Darstellung der prächtigen Verzierungen jener Länder. Jean-Paul Roux weist zu Recht darauf hin, dass die Einlegearbeiten der Schuhe dem Schmuck der Fenster- und Türläden, Möbel, Predigtstühlen, den Mimbar, ähnlich sind.

Persien

Nach dem Tod Alexanders des Großen im Jahr 323 vor Christus versinkt der Iran lange Zeit in der Bedeutungslosigkeit. Der Zerfall der beiden Kaiserreiche, dem der Sassaniden und dem von Byzanz, erleichtert es dem Islam, sein Einflussgebiet auszudehnen. Erst im goldenen Zeitalter der Safariden (die in Persien von 1501 bis 1736 regieren) macht das Land wieder einen überwältigenden Eindruck auf die Reisenden aus dem Westen. Das gilt für den Franzosen Chardin (1699 bis 1779), der um 1660 zehn Jahre in Persien verbringt. Seinen Berichten zufolge sind selbst die Armen gut gekleidet und tragen Silberschmuck an den Armen, Füßen und um den Hals.

Herrenschuh aus schwarzem Eselshautleder, hochgezogene Spitze, genagelte Sohle, Absatz „Hirschpfote”, Persien, 15.-16. Jh, Schuhe
Herrenschuh aus schwarzem Eselshautleder, hochgezogene Spitze, genagelte Sohle, Absatz „Hirschpfote”, Persien, 15.-16. Jh. Internationales Schuhmuseum, Romans.

Im Gegensatz zum hellenisierten Westen zeichnet sich in den orientalischen Ländern das Schuhwerk durch gleich bleibende Formen aus, und auch die Dekoration wird von Jahrhundert zu Jahrhundert weitergegeben. Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert findet man auf den Sohlen der persischen Prunkstiefel stilisierte Blumenmotive, die dem Muster des von Assurbanipal im 7. Jahrhundert vor Christus getragenen Gewands entlehnt sind. Man kann sie auf dem Relief erkennen, das die Geschichte von der Tötung eines Löwen durch den König erzählt. Es stammt aus dem Palast dieses Herrschers und befindet sich heute im British Museum in London. Die Wirkung dieser Schuhe wird durch reich bestickte Strümpfe betont. Die Motive sind ebenfalls den Darstellungen auf dem Gewand des Assurbanipal entlehnt.

Indien

Um 2500 bis 2000 vor Christus entwickelt sich im Tal des Indus eine bedeutende Kultur. Die Grabungen von Harappâ (Penjab) und Mohnejodaro (Sînd) brachten Siegel aus der Periode von Akkad aus der Zeit des Königs Sargon ans Tageslicht. Durch diese Entdeckung werden lange vor der Buddha-Epoche bestehende Bindungen der indischen Welt zu den Städten der Sumerer offenkundig. Muss man also den Ursprung der Schuhtradition mit hochgebogener Spitze in Indien suchen? Die Frage bleibt offen.

Wie in Mesopotamien, so ist auch in Indien der Schuh mit hochgebogener Spitze ein Privileg des Königs. Schuhe werden zwar in der Literatur des alten Indien häufig erwähnt, aber ihre Darstellung ist in der Ikonografie eher selten, weil der untere Teil der Reliefs mit erzählendem Charakter und der Fuß der Skulpturen und der Wandgemälde oft beschädigt sind. Außerdem spielen sich die dargestellten Szenen im Allgemeinen an Orten ab, an denen es entweder nicht gestattet oder nicht notwendig ist, Schuhe zu tragen. In Indien wie in vielen asiatischen Ländern trägt man in den Tempeln oder in den Privatgemächern des Palastes keine Schuhe.

Geschnitzte Holzsandale, Indien, 19. Jh, Schuhe
Geschnitzte Holzsandale, Indien, 19. Jh. Dépot des Musée national du Moyen Âge, Thermes de Cluny, Internationales Schuhmuseum, Romans.

Valmîki, der legendäre Verfasser des Râmâyana erzählt, dass der König Râma (eine der Inkarnationen von Vischnu in der Mythologie der Hindus) in einen Wald verbannt wurde und sich in seiner Regierungsstadt durch goldverzierte Schuhe repräsentieren lässt. Diese regieren während seiner Abwesenheit drei Jahre lang an seiner Stelle. Alle von seinem regierenden Bruder beschlossenen Erlasse werden vor diesen Schuhen verkündet. Ein buddhistisches Märchen greift dasselbe Thema auf und fügt noch eine genaue Erklärung hinzu: Wenn die beschlossenen Erlasse gerecht sind, bleiben die Schuhe regungslos, sie richten sich aber auf, um gegen Erlasse zu protestieren, die nicht dem Gesetz entsprechen.

China

Weil China im Bereich der Schuhe eine extreme Eigenart aufzeigt – die Tradition der eingebundenen Füße bei den Frauen – ist hier eine besondere Analyse erforderlich. Man vermutet, dass der Ursprung der Deformation der Füße der Chinesinnen sehr weit zurück liegt. Wahrscheinlich stammt er aus dem adeligen Milieu. Einem chinesischen Historiker zufolge hatte die Kaiserin Ta Ki im Jahr 1100 vor Christus einen Klumpfuß. Sie überredete ihren Gatten, eine Vorschrift zu erlassen, der zufolge die Füße der kleinen Mädchen obligatorisch eingebunden werden mussten, damit sie genau so aussahen wie die ihrer Herrscherin, die zum Vorbild für Schönheit und Eleganz wurde. In der Epoche von Konfuzius (555 bis 479 vor Chistus) lobt man bereits die Schönheit der kleinen Füße, die als ein Beweis vornehmer Abstammung gelten, während große Füße mit niedriger sozialer Herkunft gleichgesetzt werden.

Hochzeitsschuhe, China, Schuhe
Hochzeitsschuhe, China. Sammlung Beverly Jackson.

Andere Quellen schreiben die Erfindung der eingebundenen Füße der Kurtisane Pan Fei zu, der Favoritin des Kaisers Xiao Bao Kuan (Regierungszeit: 499 bis 501). Das entspricht wohl nicht der Wahrheit, aber man verdankt ihr den Ausdruck „Goldener Lotus“. Und das erklärt sich so: Eines Tages tanzt sie vor ihrem kaiserlichen Liebhaber auf einem Parkett, das mit Intarsien aus goldenen Lotusblüten geschmückt ist und der entzückte Herrscher ruft aus: „Seht nur, bei jedem ihrer Schritte entfaltet sich eine goldene Lotusblüte!“ Seither ist die Lotusblüte eine Metapher für die kleinen Füße der Chinesinnen.

Nordamerika

Den traditionellen Schuh der Indianer Nordamerikas bezeichnet man als Mokassin, wobei sich die Mokassins der Männer, Frauen und Kinder nicht unterscheiden. Die Mokassins werden aus Tierhäuten entweder in einem einzigen Stück hergestellt oder aus zwei Teilen mit einer hinzugefügten Sohle. Die Indianer verwenden dazu Häute von Bisons, Elchen, Hirschen und Mufflons. Die Vorbereitung der Tierhäute, das Gerben, für welches das Gehirn des Bisons verwendet wird, und die Herstellung der Mokassins sind den Frauen vorbehalten. Die Haut des Bisons wird aber auch für den Bau der Wigwams und zur Herstellung von Decken verwendet.

Frauenmokassin mit stilisierten Blumenornamenten, Kanada 19. Jahrhundert, Schuhe
Frauenmokassin mit stilisierten Blumenornamenten, Kanada 19. Jahrhundert. Dépot des Musée national du Moyen Âge. Thermes de Cluny, Paris.

Die Stickerei mit Stachelschweinborsten geben die Indianer aus der Prärie je nach Stamm zu unterschiedlichen Zeiten auf, denn mit der Ankunft der spanischen Kundschafter am Ende des 15. Jahrhunderts tauchen Glasperlen auf. Sie werden von den Trappern wie eine Tauschwährung eingesetzt. Die hier verwendeten blauen Perlen stammen aus Venedig; der Glasperlenhandel mit den Europäern beginnt Ende des 18. Jahrhunderts. Um 1840 werden zum ersten Mal Perlen für die Mokassins verwendet…

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