
Sagrada Gaudi! Die Struktur zur Kunst machen
Bis zum 17. Juli 2022 präsentiert das Musée d’Orsay: Gaudí-Ausstellung. Zum ersten Mal seit fünfzig Jahren ist in Frankreich eine große Ausstellung diesem Meister des Jugendstils gewidmet. Sie zeigt die bemerkenswerte Kreativität dieses einzigartigen Künstlers, der Träger der Umwälzungen war, die Ende des 19. Jahrhunderts in Katalonien stattfanden, und der sich in den Details seiner Möbel ebenso ausdrückte wie in der Größe eines außergewöhnlichen architektonischen Projekts: der Sagrada Familia in Barcelona. Gehen wir hin und finden es heraus!

Der untenstehende Text ist ein Auszug aus dem Antoni Gaudí (ISBN: 9781783106738) von Jeremy Roe, herausgegeben von Parkstone International.
Der Duft und die Schönheit einer Blume sind nichts weiter als der Mechanismus, um Insekten anzulocken und auf diese Weise die Fortpflanzung der Gattung zu sichern. Mit anderen Worten: Die Natur schafft wunderbar verzierte Gebilde ohne die geringste Absicht, Kunstwerke zu schaffen.
An dieser Stelle drängt sich noch eine weitere Überlegung in Bezug auf Gaudís Entwicklung als Architekt auf. Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass seine Vorstellung von Struktur durch die gehämmerten Kupferplatten in der Werkstatt seines Vaters geprägt worden war. Die Tatsache, dass unter seinen Vorfahren weder Maurer noch Architekten waren, hatte zur Folge, dass er von der Bürde der in Architektenfamilien dominierenden, über 3000 Jahre alten Architekturtradition unbelastet war. Im Verlauf ihrer Geschichte hat die Baukunst zahlreiche Wandlungen durchgemacht, viele sehr unterschiedliche Stile haben einander abgelöst.

Dennoch gründet die Architektur der Architekten seit den frühen Ägyptern bis zum heutigen Tag auf einfacher Geometrie, bestehend aus Linien, zweidimensionalen Figuren und regelmäßigen Polyedern, die mit Kreisen, Kugeln und Ellipsen kombiniert werden. Dieser Architektur lagen stets Pläne zu Grunde, Pläne die immer mit einfachen Instrumenten wie Zirkel und Zeichendreieck erstellt wurden, nach denen die Maurer dann arbeiteten.
Gaudí hingegen war sich bewusst, dass die Natur nicht von Zeichnungen ausgeht und für ihre wunderbar verzierten Strukturen auch keine Instrumente verwendet. Außerdem greift die Natur, die ja alle Formen der Geometrie abdeckt, nur in den seltensten Fällen auf die einfachste, in der Architektur aller Zeitalter jedoch häufigste Form zurück.

Ohne jegliche architektonische Voreingenommenheit und mit großer Bescheidenheit gelangte Gaudí zu der Ansicht, dass es nichts Logischeres gibt als das, was die Natur hervorbringt, die ja schließlich über Millionen von Jahren experimentierte, bis sie den Gipfel der Vollkommenheit erreichte. Er setzte alles daran, eine für architektonische Konstruktionen einsetzbare Geometrie zu entdecken, die ihren Ursprung in der Natur- und Pflanzenwelt hat. Dabei bezog er sowohl Flächen- als auch Volumengeometrie in seine Forschungen ein, doch um seinen Gedankengängen besser folgen zu können, werden wir uns diesen beiden gesondert zuwenden.
Es ist eine wohlbekannte Tatsache, dass der Bogen als eine Entwicklung des Sturzes, angeordnet als Gewölbeformstein, schon in den frühen asiatischen Kulturen und auch von den Etruskern verwendet und später von den Römern übernommen wurde. Die Bögen der antiken Baukunst waren im Grunde Halbkreis- oder Segment-, elliptische oder Korbbögen. Wenn in der Natur ein Bogen spontan entsteht, etwa in einem Fels durch Winderosion oder Steinsturz, hat er weder eine Halbkreis- noch eine andere Form, wie sie die Architekten mit ihrem Zirkel zeichnen.

Nein, die natürlichen Bögen sind parabolische oder Kettenlinienbogen. Merkwürdigerweise wurde der Kettenlinienbogen, der spiegelbildlich dem Verlauf einer frei von zwei Punkten hängenden Kette folgt und über ausgezeichnete, bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts bekannte mechanische Eigenschaften verfügt, kaum jemals von Architekten eingesetzt. Beeinflusst von jahrhundertealter, sich an den mit dem Zirkel gezeichneten Formen ausrichtender Tradition, konnten sie dieser Bogenart nichts abgewinnen, sondern fanden sie eher hässlich.
Gaudí jedoch hielt diesen spontan in der Natur auftretenden Bogen für mechanisch optimal; nach seinem Empfinden musste er auch der schönste sein, da er in funktioneller Hinsicht perfekt und außerdem der einfachste war. Einfach allerdings nur als natürliches Gebilde, nicht für den Zeichner mit seinen Instrumenten.

In den Pferdeställen der Finca Güell (1884), dem Wasserfall der Casa Vicens (1883) und im Waschraum der Cooperative Mataronense (1883) machte Gaudí mit größter Souveränität und höchster Eleganz von dieser Bogenform Gebrauch und griff auch in späteren Gebäuden wie Bellesguard (1900), der Casa Batlló (1904) und La Pedrera (1906) wieder darauf zurück.
Was die Volumengeometrie anbetrifft, so konstatierte er in der Natur immer wieder das Auftreten von gekrümmten Regelflächen, die allein durch Scharen von Geraden gebildet wurden.
Alle natürlichen, aus Fasern bestehende Formen, etwa ein Knochen, ein Schilfrohr oder die Sehnen eines Muskels, bilden, wenn man sie verdreht oder biegt und die Fasern selbst gerade bleiben, so genannte gekrümmte Regelflächen. Ein zu Boden fallendes Bündel von Stäben bildet ebenfalls eine solche gekrümmte Regelfläche, die man auch bei den aus mit Tierhäuten überspannten Stangen bestehenden Wigwams der nordamerikanischen Indianer findet…

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