
Marco Polo und die Seidenstraße
Der untenstehende Text ist ein Auszug aus dem Das Buch der Wunder (ISBN: 9781783106950), von Marco Polo, herausgegeben von Parkstone International.
Der Leser möge wissen, dass zu der Zeit, als Balduin II., Graf von Flandern und Vetter Ludwigs IX., Kaiser von Konstantinopel war, wo sich ein Statthalter des Dogen von Venedig befand, und im Jahre 1250 unseres Herrn, Nicolo Polo, der Vater Marcos, und Maffeos (oder Matteos), der Bruder Nicolos, Venezianer aus edler Familie und ehrenwerte und wohlunterrichtete Männer, nach jener Stadt mit einer reichen Schiffsladung von Waren kamen. Nach reiflicher Überlegung, was sie ferner unternehmen sollten, fassten sie den Entschluss, um wo möglich ihr Handelskapital zu vermehren, ihre Reise durch den Eurinus oder das Schwarze Meer fortzusetzen.

In dieser Absicht machten sie Einkäufe von vielen schönen und kostbaren Edelsteinen, verließen Konstantinopel und schifften durch jenes Meer nach einem Hafen, Soldaia genannt, von wo sie zu Lande reisten, bis sie den Hof eines mächtigen Herrn der westlichen Tartaren, Namens Barka, erreichten, der in den Städten Bolgar und Assara seinen Sitz hatte und im Rufe stand, einer der freigebigsten und gebildetsten Fürsten zu sein, den man bislang unter den Stämmen der Tartarei gekannt hatte. Er war erfreut über die Ankunft unserer Reisenden und empfing sie mit Auszeichnung. Als sie die Juwelen, welche sie mitgebracht hatten, vor ihm niederlegten und erkannten, dass solche ihm wohl gefielen, boten sie sie ihm zum Geschenk an. Der Khan bewunderte die freigebige Höflichkeit der beiden Brüder und weil er sich von ihnen an Großmut nicht übertreffen lassen wollte, ließ er ihnen nicht allein den doppelten Wert der Juwelen auszahlen, sondern fügte dem auch noch verschiedene reiche Geschenke bei.
Als sie ein Jahr in den Ländern dieses Fürsten gelebt hatten, überkam sie der Wunsch, in ihr Vaterland zurückzukehren, was jedoch durch einen Krieg zwischen ihrem Gönner und einem anderen Khane, Namens Alau, der die östlichen Tartaren beherrschte, verhindert wurde. In der von den beiden Armeen ausgetragenden Schlacht siegte der Letztere und Barkas Truppen erlitten eine vollkommene Niederlage. Da die Straßen in Folge dieses Ereignisses unsicher für Reisende geworden waren, konnten unsere Venezianer es nicht wagen, auf dem Wege, den sie gekommen waren, zurückzukehren; und es wurde ihnen, als die einzig mögliche Weise Konstantinopel zu erreichen, empfohlen, sich in östlicher Richtung auf eine wenig besuchte Bahn zu wenden, so dass sie an den Grenzen von Barkas Gebiet hingingen. Demzufolge nahmen sie ihren Weg nach einer Stadt, Namens Oukaka, die an den Grenzen des Königreichs der westlichen Tartaren liegt.

Als sie diesen Platz verlassen hatten und weiter wanderten, setzten sie über den Tigris, einen der vier Flüsse des Paradieses, und kamen in eine Wüste, die sich siebzehn Tagereisen weit ausdehnte, und in der sie weder Stadt noch Schloss, noch andere Gebäude fanden, sondern nur Tartaren mit ihren Herden, die unter Zelten oder auf dem freien Feld lagerten. Als sie diese durchwandert hatten, erreichten sie endlich eine wohlgebaute Stadt, Namens Bokhara, in einer Provinz desselben Namens, die zum Perserreich gehörte, aber unter einem Fürsten stand, der Barak hieß.
Es begab sich aber, dass zu dieser Zeit ein Mann von großem Ansehen und außerordentlichen Gaben in Bokhara erschien. Er war als Gesandter von dem schon erwähnten Alau an den Großkhan, den obersten Fürsten aller Tartaren, der Kublai Khan hieß und seinen Herrschersitz am äußersten Ende des Festlands hatte, in einer Richtung zwischen Nordosten und Osten. Der Gesandte hatte, wie sehr er es auch wünschte, zuvor noch keine Gelegenheit gehabt, Leute aus Italien zu sehen, und war daher sehr erfreut, unsere Reisende, die jetzt einigermaßen erlernt hatten, sich in tartarischer Sprache auszudrücken, zu treffen und sich mit ihnen zu unterhalten. Nachdem er mit ihnen mehre Tage in Gesellschaft gewesen war und ihm ihre Sitten zusagten, schlug er ihnen vor, dass sie ihn zu dem Großkhan begleiten sollten, der sehr erfreut sein würde über ihr Erscheinen an seinem Hofe, denn dieser sei bis jetzt von Leuten aus ihrem Lande noch nicht besucht worden; und gab ihnen die Versicherung, dass sie ehrenvoll empfangen werden und ihnen reiche Gaben zukommen würden.

Überzeugt wie sie waren, dass wenn sie es unternehmen wollten in ihre Heimat zurückzukehren, sie sich den größten Gefahren aussetzen würden, willigten sie in sein Anerbieten und setzten, sich dem Schutze des Allmächtigen empfehlend, ihre Reise im Gefolge des Gesandten fort, begleitet von mehren christlichen Dienern, die sie aus Venedig mitgebracht hatten. Die Richtung, die sie dort einschlugen, war zwischen Nordost und Nord, und es verging ein ganzes Jahr, ehe sie die kaiserliche Residenz erreichen konnten, wegen der außerordentlichen Verzüge, die vom Schnee und von den Überschwemmungen der Flüsse veranlasst wurden, die sie nötigten zu verweilen, bis jener geschmolzen war und die Fluten sich wieder verlaufen hatten. Viele bewundernswürdige Dinge sahen sie während ihrer Reise, die wir aber hier nicht erwähnen, da diese von Marco Polo in den folgenden Büchern beschrieben werden sollen.
Als die Reisenden dem Großkhan vorgestellt wurden, empfing sie derselbe mit der Huld und Herablassung, die seinem Charakter eigen war, und da sie die ersten Italiener waren, die in diesem Land erschienen, wurden ihnen Feste und andere Beweise von Auszeichnung gegeben. Er ließ sich freundlich in ein Gespräch mit ihnen ein und erkundigte sich über die westlichen Teile der Erde, über den römischen Kaiser und andere christliche Könige und Fürsten. Er ließ sich Mitteilungen geben über die Macht derselben, die Größe ihrer Länder, die Art der Gerechtigkeitspflege in ihren verschiedenen Königreichen und Fürstentümern, über ihre Kriegsführung und vor allem und ganz besonders fragte er sie nach dem Papst, den Angelegenheiten der Kirche, der Gottesverehrung und den heiligen Lehren der Christen. Da sie wohlunterrichtet und bescheidene Männer waren, gaben sie ihm so gut es ging Auskunft über alle diese Punkte, und da sie mit der tartarischen (mongolischen) Sprache vollkommen vertraut waren, drückten sie sich immer in geeigneten Worten aus, sodass der Großkhan, bei dem sie in hohen Ehren standen, sie häufig zu sich rufen ließ…

Hier erfahren Sie mehr über Marco Polo:
Marco Polos Haus in Venedig, in der Nähe der Kirche San Giovanni Grisostomo
National Geographic Marco Polo
Um einen besseren Einblick in Das Buch der Wunder zu erhalten, setzen Sie dieses spannende Abenteuer fort, indem Sie auf Amazon US, Amazon UK, Amazon Australia, Amazon French, Amazon German, Amazon Mexico, Amazon Italy, Amazon Spain, Amazon Canada, Amazon Brazil, Amazon Japan, Amazon India, Amazon Netherlands, Parkstone International, Ebook Gallery, Kobo, Google, Apple, Overdrive, Scribd, Schweitzer, Ciando, Bider & Tanner, Ex Libris, Lehmanns Media, Sack Mediengruppe

