
Vom Zauber der Blumen
Der untenstehende Text ist ein Auszug aus dem Meisterwerke der Blumenmalerei von Victoria Charles, herausgegeben von Parkstone International.


denen ich in Gärten
und Wäldern begegnet bin,
ihr habt mir
zu Beobachtungen gedient,
so, wie ihr auch
in den schönen Zeitaltern des Ornaments
Bildhauern und Glasmalern gedient habt.
– Auguste Rodin
Adam und Eva wurden aus dem Paradies vertrieben, jenem wunderbaren Garten, in dem die Natur und Pflanzenwelt noch unversehrt war und es Blumen im Überfluss gab. Handwerker des Niltals bemalten die Wände der Grabkammern: Oft findet man Papyrus und Lotus abgebildet, die vom angenehmen, glücklichen Leben ihrer Maler erzählen.
Kunsttöpfer auf Kreta malten Krokusse und andere Blumen auf Vasen. Laut Plinius gab es auch zur Zeit Alexanders des Großen Blumenbilder. Und in einer Abhandlung über die Pflanzenwelt, die der Dominikaner und Naturforscher Albertus Magnus im Mittelalter verfasste, ist eines der Kapitel dem Thema De plantatione vindarium gewidmet.

Auf Wandteppichen und Wandbildern, auf denen ein Einhorn abgebildet ist, finden sich außerdem zahllose Lilien, Rosen, Nelken und Schwertlilien. Blumen und Gräser zierten fürstliche Residenzen, Blumen wurden bei religiösen Prozessionen und Zeremonien gestreut.
Bei jeder Darstellung ist der Künstler für gewöhnlich darum bemüht, einen Kompromiss zwischen naturgetreuer Abbildung und Wiedergabe eines zu vermittelnden Gefühls zu finden. Wenn die Künstler ihre Inspiration aus der Natur schöpfen, greifen sie stets auf Symbole zurück. Entzückt von den herrlichen Blumen, die ihre Phantasie anregen, drücken Maler das Unaussprechliche in Allegorien und Symbolen aus. Müssen sich Künstler bei ihrem Schaffen an die ihnen von der Natur gegebenen Schranken halten?

Auch Blumen, die in Kränze eingeflochten sind, können verschiedene Bedeutungen haben. So symbolisierten Blumenkränze, die in unmittelbarer Nähe von Personen gemalt waren, für die frühen Christen das Paradies. In der Renaissance finden sich häufig Blumenbilder, auf denen Rosen und Lilien die Schläfen der Mutter Gottes, der Heiligen und der Engel zieren – so auf Filippino Lippis Gemälde Madonna und Kind mit St. Johannes in der National Gallery in London. Die Blume ist eines der Symbole für die Mutter Gottes; bevorzugt handelt es sich dabei um Jasmin, der aufgrund seiner weißen Sternenform und seines süßen Dufts besonders geeignet erscheint, wohl allerdings oft mit der Myrrhe, einem anderen Sinnbild für die Jungfrau, verwechselt wird – so beispielsweise auf dem Gemälde Die Jungfrau im Blumenkranz von Peter Paul Rubens (aufbewahrt in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek, München).
In den Werken von Van Eyck und denen der deutschen Meister bilden die Blumen eine Einheit mit Christus und den Heiligen, und so verwendeten sie die Blumenmotive mit neuer Begeisterung. Die Blume symbolisiert Anmut, Eleganz und Güte – Eigenschaften, die sich aus der Morphologie dieser Pflanze ableiten. Das erste Bild, das sich an die botanischen Fakten hielt, war Van Eycks Anbetung des mystischen Lamms; Ende des 15. Jahrhunderts übernahmen die Illuminatoren des Nordens, die offensichtlich religiöser Bilder überdrüssig waren, diesen Stil.

Als diese Künstler begannen, Blumen zu malen, wurde plötzlich eine Fülle zwar bekannter, aber doch seltener Blumen und Pflanzen aus aller Welt herangeschafft, zu deren Aufbewahrung und Studium botanische Gärten wie beispielsweise der in Padua (1543) eingerichtet wurden. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entwickelte sich die Botanik in Theorie und Praxis ungeheuer schnell. Im Jahre 1601 schrieb der niederländische Illuminator Charles de l’Escluse ein Werk über seltene Pflanzen, Rariorum plantarum historia, eine umfangreiche und illustrierte Dokumentation der Naturgeschichte.
Seit dem 16. Jahrhundert beschäftigte sich die Malerei mit Blumen, und Blumensträuße wurden zu einem beliebten Motiv, das künstlerische Können unter Beweis zu stellen. Die Kunst der Illumination war dem Niedergang geweiht. Doch befand sich die Darstellungsweise der Blumen in einem stetigen Wandlungs- und Entwicklungsprozess, was es schwierig macht, bestimmte Entwicklungsstadien oder Veränderungen in der Abbildung diesem oder jenem Künstler zuzuschreiben. Das größte Interesse erweckten exotische Blumen aus der Karibik und Ostindien. 1521 entdeckten die Spanier wunderbare Gärten in Mexiko. Am üppigsten aber wurden unsere Gärten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch Blumen aus der Türkei bereichert. Dort hatten Priester gelernt, die Veredelung in der Pflanzenzucht am persischen Hofe auch in ihren Gärten anzuwenden. Wien war das Tor, durch das die Blumen des Orients nach Europa gelangten, Madrid das Tor für Südamerika. Von da an verbreiteten sich diese Blumen allmählich in den Ländern unter der Herrschaft des Heiligen Römischen Reiches, in Deutschland und den Niederlanden und wurden zur wichtigsten Inspirationsquelle der Manieristen.

Man kann sich leicht denken, dass die Vorliebe für Blumen ein neues Genre mit sich brachte. Auf diesem Gebiet scheint Flandern ein Vorreiter für alle anderen Ländern gewesen zu sein. Die frühstdatierten Blumengemälde stammen von Jan Breughel d.A. (1568-1625)…
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