
Die Darstellung von Hölle und Himmel in Tod und Jenseits in der Kunst
Der untenstehende Text ist ein Auszug aus dem Tod und Jenseits in der Kunst (ASIN: B016XN18IA), von Victoria Charles herausgegeben von Parkstone International.
Wie Wellen hin zum kies’gen Ufer rauschen,
So eilen unsre Tage rasch zum Ziel;
Im Wechsel müssen sie die Stellen tauschen,
Sie dringen vorwärts stets in bunt Gewühl.
Wenn die Geburt begrüßt des Lebens Licht,
Zur Reife kriecht sie dann, die, kaum gewährt,
Als hämisch Dunkel ihren Ruhm anficht.
Der Zeit Geschenk wird von der Zeit zerstört;
Vernichtet wird durch Zeit der Jugend Prangen,
Es muß die Schönheit ihren Furchen weichen,
Ihr ist, was liebend hielt Natur umfangen,
Mit scharfer Sens’ wird Alles sie erreichen;
Doch nicht mein Vers, der deinen Preis gesungen,
Soll – mag sie droh’n – der Zukunft sein verklungen.
William Shakespeare, Sonett LX, in William, Shakspeares sämtliche Werke. Übersetzer: Emil Wagner
Die Hölle und das Fegefeuer
Der Verstand und das Bewusstsein wissen, dass es nicht gerecht sein kann, Dumme, Feiglinge, Gauner, Säufer, Mörder und Faulenzer in dasselbe Reich eintreten zu lassen und ihnen dasselbe Glück zuteilwerden zu lassen wie Helden, Weisen und Heiligen; davon abgesehen können sie es auch gar nicht. Der spontane Gedanke und das Gefühl der Menschlichkeit sind sich darin einig, dass, wenn die Seele den Körper überlebt und sie in die unsichtbare Welt eindringt, ihr Schicksal dort von ihrer Eignung und ihren Verdiensten abhängt. Die Vernunft, die die Tatsachen der Beobachtung gemäß den ethischen Prinzipien und den spirituellen Gesetzen beurteilt, erkennt sofort, dass es zwischen dem Schlechten und dem Gutmütigen einen Unterschied gibt, zwischen der guten und der schlechten Seele: Kurz, es gibt einen Himmel und eine Hölle.
Dieselbe Auffassung wäre auch beim Glauben an kontrollierende Götter erforderlich, an die die Menschen der Antike so fest glaubten. Sie nahmen an, dass diese Götter zu gewissen Teilen so waren, wie sie selbst: parteiisch, rach- und eifersüchtig, unbeständig. Solche Wesen würden natürlich ihre Lieblinge in Schutz nehmen und Missetäter quälen. Glück und Unglück dieses Lebens wurden als liebevolles oder rachsüchtiges Zeichen der regierenden Gottheiten betrachtet. Und waren ihre Opfer und Anhänger in die Ewigkeit eingetreten, so war es ganz natürlich, anzunehmen, dass sie durch den ungestümen Willen dieser niemandem verantwortlichen Götter entweder verflucht oder begünstigt wurden.

Im Grunde müssen diejenigen, die glauben, dass Götter Blitz und Donner aussenden, im Zorn das Meer aufwühlen und aus Rache für Beleidigungen die Pest verbreiten, auch an eine Hölle glauben, in der Ixion an ein Feuerrad gebunden ist und Tantalos mit Verhöhnung gestraft wird.
Diese beiden Auffassungen von der urteilsfähigen Gerechtigkeit und racheerfüllten Göttern waren der Anlass zur Theorie von einer Hölle und zur Vermehrung an Lehren und Parabeln darüber, denn erstere zeigen das alles durchdringende Gesetz, das die Menschen nach ihren Verdiensten einteilt, und letztere sprechen von Wesen mit menschlichen Launen, die willkürliche Strafen aussprechen. Ein grundlegender Teil des antiken Glaubens bestand darin, dass sich unter der Erdoberfläche eine riesige Unterwelt befand, letztes Ziel der menschlichen Seelen, der griechische Hades, der römische Orcus, die gotische Hölle.
Ein Teil des Initiationsdienstes war der symbolische Abstieg in dieses Reich. Apuleius (um 123-170 n.Chr.), der seine Initiation beschreibt, sagte: „Ich näherte mich den Grenzen des Todes und trat auf die Schwelle der Proserpina“. Orpheus, dessen mythologischer Figur die Einführung der Mysterien aus Griechenland vom Osten zugeschrieben wird, verfasste ein mittlerweile verloren gegangenes Gedicht mit dem Titel Abstieg in den Hades. Dieser Abstieg galt Theseus und Herakles, dem ägyptischen Mythenkönig Rhampsinitos und vielen anderen. Er wird detailliert in der Odyssee beschrieben und noch präziser bei Vergil in der Reise des Aeneas.

Die Ägypter und andere uns bekannte frühe Nationen betrachteten die sternenklaren Welten am Himmel als Schiffe, die die himmlische See durchkreuzen. Die Erde wurde manchmal auf dieselbe Art dargestellt. Dann gab es dort ebenso den Bestattungskahn, in dem die ägyptischen Körper über den Acherus gefahren wurden. Ebenso gibt es den „dunkelblauen Kahn”, in dem Charon die Seelen über den Fluss des Todes übersetzt.
Ein schwankendes, in den Tiefen umherfahrendes Boot stellt den zerbrechlichen Zustand der Menschlichkeit dar, ähnlich wie die Darstellung des in einer goldenen Tasse über den Ozean schwimmenden Herakles denselben Gedanken illustriert. Und jenes sicher mit dem Strom schwimmende Boot könnte ebenso den heiteren Glauben des Eingeweihten an ein Leben im Jenseits bedeuten, das ihn furchtlos durch alle Gefahren und den Tod in die willkommene Gesellschaft des Elysions manövriert, wie Danaë und ihr Kind in einer Kiste über das stürmische Meer hinausgeschickt und an das Ufer Serifos getrieben wurden. Kein Emblem des menschlichen Zustands könnte natürlicher oder beeindruckender sein als das eines in die Tiefen geschickten Gefährts.
Der sterbende Sokrates sagte „er werde seine Seele der Hoffnung auf ein Leben im Jenseits anvertrauen und sich wie ein Floß ins Unbekannte treiben lassen.“ Die Vorstellung kocht über und untersucht die Darbietungen und Geheimnisse, die weisen Vorsehungen und verlockenden Einladungen, die Flauten und Stürme, die Inseln und unbekannten Häfen, die trübe See der menschlichen Natur, der Zeit und der Ewigkeit.
Die allgemeine Vorstellung einer Hölle ist schnell genährt und ausgeschmückt. Sie wird durch Dichter, Lehrer und Redner verbreitet, deren Fantasien angeregt und deren Bilder und figurative Ansichten sowohl durch Quellen als auch Ergebnisse des Glaubens agieren und reagieren. Lediglich die auf moralischen Tatsachen beruhenden Darstellungen und an Vorstellungen gerichteten Symbole wurden allmählich im wörtlichen Sinn aufgefasst und mit der Macht des Schreckens ausgestattet.

Ein hinduistischer Dichter sagte: „Die Undankbaren sollen in der Hölle bleiben, solange die Sonne am Himmel hängt.“ Ein alter jüdischer Rabbi erklärte, dass nach dem allgemeinen Gericht
Gott die Gesegneten durch die Hölle und die Verdammten durchs Paradies führen und jedem zeigen soll, welcher Ort für ihn in welchem Bereich vorbereitet wurde, so dass niemand behaupten kann: ,Man kann uns nicht preisen oder uns beschuldigen, denn unser Schicksal wurde schon im Vorhinein unveränderbar festgelegt.’
Solche Äußerungen brennen sich in einer rauen Zeit als erklärende Tatsachen in den Geist der Menschen ein und man hält sie für wahr. Ein Autor des Talmuds sagte:
Es gibt in der Hölle sieben Orte mit jeweils siebentausend Höhlen, in jeder Höhle siebentausend Spalten und in jeder Spalte siebentausend Skorpione; jeder Skorpion besitzt siebentausend Glieder mit jeweils siebentausend Gefäßen voller Galle. In der Hölle gibt es aber auch sieben Flüsse voll mit stärkstem Gift, die so tödlich sind, dass man krepiert, sobald man sie berührt.
Der englische Poet und Geistliche Joseph Trapp (1679-1747) führte die Verdammungsszene in einem Gedicht weiter aus:
Verdammt, den Tod zu leben und niemals zu sterben,
In den Fluten und Wirbelstürmen des Feuers sollen die
Verdammten stöhnen,
Feuer in allen Typen und Formen.
Im Hagel und Regen, in Stürmen und Hurrikans,
Flüssig und fest, blau, rot und blass,
Ein in Flammen stehender Berg hier und ein brennendes
Tal dort,
das flüssige Feuer schafft Meere und das feste die Küste.
Voller Flammen tost die schreckliche Höhle.
In blubbernden Strudeln kommen und gehen die
feurigen Gezeiten,
Und Schwefelwellen überschlagen sich.
Die hohlen, kurvenreichen Gruben, Höhlen und Gewölbe
befinden sich darunter wie Brennöfen flammender Wellen.
Flammensäulen erheben sich spiralförmig,
wie feurige Schlangen und lecken die höllischen Himmel.
Schwefel, der ewige Treibstoff, spuckt unverbraucht,
dichten, weißen Rauch aus.

Die Höllenfahrt Jesu, der Abstieg Christi in den Hades und seine Führung der erlösten Seelen, war eine dankbare Linderung von diesen schrecklichen Bildern. Der in die weiße Siegesrobe gekleidete, das Kreuz des Triumphs in seiner Hand tragende Christus steht an den Toren zur Hölle. Die besiegten Dämonen heulen bei seiner Ankunft. Drinnen erwartet eine von Adam und Eva angeführte Schar von Seelen mit großer Freude und Bewunderung die Ankunft des Eroberers. Diese Geschichte ereignet sich im Evangelium des Nikodemos als Erzählung von Leucius Charinus und Lenthius, den Söhnen des Simeon im Nunc dimittis (lat.: „Nun entlässt Du“), die nach ihrer Kreuzigung ihren Gräbern entstiegen. Darstellungen des Paradieses sind in der Kunst nicht üblich. In Bildern des strahlenden Christus, der Dreieinigkeit, der Krönung der gesegneten Jungfrau und des Jüngsten Gerichts wird der Himmel meistens durch Kreise verehrender Engel dargestellt. Der italienische Maler Fra Angelico (1386/1400-1455) ist einer der wenigen Künstler, der sich seinerzeit bemüht hat, die, Neue Erde‘ darzustellen, die es zur Freude der Gläubigen geben wird. Darauf ist eine Blumenwiese mit Engeln und Heiligen, Hand in Hand und in bester Freundschaft, zu sehen, die in rhythmischen Bewegungen auf dieser Blumenwiese einen Kreis formen.Aber bei der Darstellung der Hölle, eines der beliebtesten Themen mittelalterlicher Kunst, gibt es zahlreiche Beispiele, die aufzeigen, wie schnell die menschliche Vorstellung eher zu einem Übermaß an Grausamkeit führen kann als zu Glück und Schönheit. Das populärste Motiv für die Höllendarstellung war das Maul eines Feuer speienden Monsters. Dort werden hilflose und angekettete Seelen von Dämonen festgehalten.
Verdammnis und Höllenqualen werden auch im Koran reichlich und anschaulich dargestellt, so z.B. in dessen 56. Sure al-Wâqi’a (Die hereinbrechende Katastrophe):
Und die Linksstehenden; wehe denen, die links stehen! In brennend heißem Wind und siedendem Höllenwasser werden sie sein, im Schatten dunklen Rauchs, der weder kühl noch erfrischend ist.
Der Himmel
Der Himmel ist für die Menschheit ein endgültiger, exklusiver,materieller Ort, der entweder als himmlische Atmosphäre über der Oberfläche der Erde, als glückliche Insel jenseits der untergehenden Sonne oder als ein durch Feuer erneuerter und mit einer auferstandenen und erlösten Rasse bevölkerter Globus dargestellt wurde. Damit war der Himmel ein ruhiger, durch undurchlässigen Glanz abgetrennter und voll ewiger Segenssprüche hängender Ort. Es war natürlich, dass der Mensch sich den Himmel als einen Ort vorstellte, an dem nichts Böses existiert und alles Gute ehrenvoll zu Gott erhoben wird, der in bezaubernder Pracht sichtbar zwischen den Anbetenden thront.
Der Himmel ist, im Grunde genommen, nicht bloß ein favorisierter Ort und nicht bloß eine schicksalsergebene Seele, sondern das Ergebnis einer Kombination dieser in rechter Beziehung zueinander. Es ist weder eine spielende Kraft in der materiellen Umgebung noch ein anhaftendes Merkmal der Spiritualität, sondern es ist die Musik, die aus einem Instrument strömt, wenn es so gestimmt ist, dass es in Harmonie mit der Umgebung reagiert. Die Erlösung ist somit nicht nur ein göttlicher Ort und ein göttlicher Seelenzustand, sondern die Verbindung dieser beiden miteinander. Es ist die experimentelle Ablage zwischen den beiden Polen der rechten Bedingungen im Reich und den rechten Energien im Bewohner. Der Himmel ist, um es kurz und knapp zu machen, der Wille Gottes in der Erfüllung oder das Gesetz des Ganzen in unvermischter Handlung.

Die Hölle ist die durch den Aufprall der gebrochenen Gesetze entstandene Erfahrung. Oder, wenn man daran glaubt, dass ein göttliches Gesetz nicht gebrochen werden kann, so wie jede Schwerkraft tatsächlich eine niedere Befolgung der Schwerkraft ist, dann kann man behaupten, dass die Hölle der Zusammenstoß und die Reibung der Begrenzungen verschiedener Gesetze ist. Es ist die Missstimmung des Teils mit dem Ganzen, es ist der Antagonismus zwischen Gott und der Seele.
Aber die andauernde Bewahrung eines perfekt ausgeglichenen Gegensatzes mit Gott ist unbegreiflich. Wird er schlimmer, wird er sich schließlich selbst zerstören, die abweichende Individualität oder der bösartige Aufruhr verschwinden genauso in der Totalität der Kräfte wie der Unrat unserer Abwasserkanäle in den Kläranlagen verschwindet. Wird er besser, wird diese Verbesserung den Gegensatz schließlich in einen Ausgleich verändern, und das Böse wird sich in das Gute verwandeln. Daher muss jedes Wesen vor Unglück bewahrt werden, wenn nicht durch erlösende Buße, dann durch absolute Vernichtung, und ein Himmel wird die dahinschwindende Hölle aufsaugen…
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