Bach, Fabrik für Krinolinen, Herstellung der Reifen
Deutsch,  Ebook

Dessous und Mode: Damenwäsche, Miederwaren, Wirk- und Strickwaren

Der untenstehende Text ist ein Auszug aus dem Die Dessous (ASIN: B016XN13JO) von Muriel Barbier und Shazia Boucher, herausgegeben von Parkstone International.

Eine Frau trägt je nach ihren Lebensumständen andere Dessous. Von der Taufe bis zum Witwenalter durchläuft eine Frau körperliche und gesellschaftliche Wandlungen, die sich in der Wahl ihrer Dessous niederschlagen und somit zum Kennzeichen von Alter, Bedeutung und sozialer Stellung der Frau werden. Die Unterwäsche ist eng und unmittelbar mit der Intimsphäre der Frau verbunden. Im Lauf der Jahrhunderte sind die Männer immer der Meinung gewesen, dass Dessous ausschließlich dazu dienen, sie zu verführen.

Ob enthüllend oder verhüllend, einfach oder raffiniert, diskret oder aufreizend – es gibt die verschiedenartigsten Dessous und üblicherweise unterscheidet man drei Kategorien: Unterwäsche, Miederwaren, Wirk- und Strickwaren.

Der Unterwäsche kommt vor allem eine hygienische Funktion zu, denn sie wird unter den Kleidern unmittelbar auf der Haut getragen. Sie schützt den Körper vor den weniger bequemen Stoffen der Kleidung und bewahrt diese wiederum vor den Ausscheidungen des Organismus. Aus diesem Grund wird sie im Allgemeinen aus gesunden Materialien hergestellt, die je nach Epoche variieren. Die Unterwäsche ist eng mit dem intimsten Bereich und der Hygiene der Frau verbunden. Schließlich gehörten die, für die Menstruation verwendeten Wäscheteile zu den ersten Dessous, die direkt auf dem Körper getragen wurden und die noch heute in veränderter Form in der Damenbinde Bestand haben.

Korsett aus rotem Satin, gelbem Leder, Wahlfisch Stäben und gebogenem Gerüst, 1883, Unterwäsche
Korsett aus rotem Satin, gelbem Leder, Wahlfisch Stäben und gebogenem Gerüst, 1883. Victoria and Albert Museum, London.

Der häufig zu findende Begriff ‘Leibwäsche’ bezeichnet Wäschestücke wie beispielsweise Hemden, Hosen, Schlüpfer, Unterhemden, Unterhosen, Unterkleider und Unterröcke. Früher wurden in einfachen Familien oder in Kriegszeiten manche Wäschestücke aus gebrauchter Haushaltswäsche, wie beispielsweise alten Bettlaken, gefertigt. Heute steht dagegen der Komfort an erster Stelle, und wegen ihrer weichen Textur, Luftigkeit und hygienischen Eigenschaften ist die Baumwolle am beliebtesten. Aber auch andere, mehr oder weniger edle Stoffe finden bei der Herstellung von Unterwäsche Verwendung: Leinen, Seide, synthetische Stoffe in relativ leichten Bindungen wie Tuch, Jersey, Satin, feines Leinen, Perkal, Voile oder Musselin. Manchmal werden diese Stoffe mit aufreizenden Verzierungen versehen.

Denn der Unterwäsche kommt nicht nur eine Schutzfunktion zu, sie ist schließlich auch ein raffinierter Bestandteil der Kleidung. Die Wahl der Farbe hängt von Alter, Geschmack, Status, sozialer Funktion, beabsichtigter Wirkung oder Mode ab. Manchmal werden die Dessous aus Koketterie, Mode oder Provokation ganz oder teilweise enthüllt und stellen Spitze, Stickerei oder Bänder, die Attribute der Frivolität, zur Schau. Nur selten jedoch werden sie völlig enthüllt, denn wie uns Georges Feydeau’s Schauspiel Aber lauf doch nicht ganz nackt herum! zeigt, werden sie mit Nacktheit in Verbindung gebracht. Ventroux wirft seiner Frau Clarisse vor, sich vor ihrem Sohn im Hemd zu zeigen. „Man sieht dich wie durch Pauspapier!“, sagt er zu ihr. Letztere antwortet, dass sie ein Unterhemd trägt, also nicht nackt sei. Dieser Dialog macht deutlich, dass für die Frau Unterwäsche verhüllt, während sie für den Mann die Nacktheit darunter enthüllt.

Weber, Ankleiden. Kupferstich, série „moeurs“, Unterwäsche
Weber, Ankleiden. Kupferstich, série „moeurs“. Musée Carnavalet, Paris.

Da die Unterwäsche direkt mit dem Körper und folglich mit dem intimsten weiblichen Körperteil in Berührung kommt, ist sie schon immer ein, geschickt von den Trägerinnen aufrecht erhaltener, Gegenstand männlicher Phantasien gewesen. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde die Vorstellungskraft der Beobachter durch sichtbare Volants angeregt, die gleiche Wirkung übt heute der unter den Jeans erahnbare Slip oder String aus. Der erotische Effekt der Dessous rührt ausschließlich daher, dass sie eng mit dem intimen Bereich der Frau verbunden sind.

Miederwaren dagegen geben dem Körper ein trügerisches Aussehen. Dem Korsett kommt die gleiche Funktion zu wie dem Gerüst eines Gebäudes, nur mit dem Unterschied, dass dieses Gerüst an einem bereits bestehenden Grundbau, dem weiblichen Körper, angebracht wird. Die Aufgabe des Korsetts ist es, die Körperformen zur Geltung zu bringen und dem Körper, die der Mode entsprechende Form zu geben.

Miederwaren verändern vor allem drei Körperpartien: Taille, Brust und Hüften. Von diesen drei Punkten ausgehend, wird eine neue Silhouette gestaltet. In seinem Buch Les Dessous à travers les ages beschreibt Armand Silvestre ein „gutes Korsett“ folgendermaßen:

„… es muss nach oben breiter werden, um die Brüste zu stützen, ohne sie einzuschnüren und unter den Armen weit genug ausgeschnitten sein; der Futterstoff muss dünn, sorgfältig eingefügt und geschmeidig sein… so dass es das ganze Becken umschließt, auf den Hüften Halt findet und an den Seiten der natürlichen Körperform folgt“.

Yva Richard, Das Bouclette und ihr Korsett, circa 1925, Unterwäsche
Yva Richard, Das Bouclette und ihr Korsett, circa 1925. Silberdruck, 17,6 x 13 cm, Privatsammlung, Paris.

Miederwaren bringen die Körperformen zur Geltung und passen sie neuen Linienführungen an. Die Brüste werden rund, angehoben, schön geformt oder platt gedrückt; die Taille wirkt mehr oder weniger schmal, verschwindet völlig oder wird betont; die Hüften werden schmaler oder breiter. Das Korsett zwingt den Körper, der Mode zu gehorchen, wobei auf die natürlichen Formen oftmals keine Rücksicht genommen wird. So sehr wie die Unterwäsche zum Intimbereich gehört, so sehr ist das Korsett nur mit dem Aussehen verbunden. Erst das Korsett gibt der Kleidung einer Frau eine moderne Erscheinung.

Unter den Miederwaren finden wir Dessous wie das Bustier, das Korsett, den Hüfthalter, die Guêpière, den Schnürleib, den Vertugadin (ein von der Taille abstehender Reifrock), den Reifrock und die Krinoline.

In die Miederwaren sind Stützen eingearbeitet, die den Körper zusammendrücken und ihm Form geben. Diese Stützen sind aus soliden Materialien wie Barte, Binse, Stahl, Rosshaar und elastischen Materialien. Da diese Dessous zuerst dazu bestimmt waren, über der Kleidung getragen zu werden und später, um weniger sichtbar zu sein, über der Unterwäsche, werden sie aus feineren Stoffen als gewöhnliche Wäschestücke gefertigt. Manchmal ist das Korsett auf die Garderobe oder auf andere Dessous wie den Unterrock abgestimmt. Weil das Korsett den Blicken ausgesetzt ist (besonders im Mittelalter, als es über dem Kleid getragen wurde) und vor allem, weil es die Silhouette verändert, ist es also von der Mode abhängig. Aus diesem Grund war das Korsett – ganz im Gegensatz zur Unterwäsche – Gegenstand starker Kritik. Seine Verfechter betrachten es einerseits als das Symbol der weiblichen Sittlichkeit, wobei die Einschnürung des Körpers mit charakterlicher Strenge gleichgesetzt wurde.

Chantal Thomass, Strumpfhose Plumetis, Unterwäsche
Chantal Thomass, Strumpfhose Plumetis. Kollektion Herbst / Winter 2003.

Ärzte, Hygieniker und später auch Feministinnen beschuldigen andererseits Modeschöpfer und Hersteller, den Körper der Frau in ein widernatürliches, körperliche Schäden nach sich ziehendes Gerüst zu zwängen. Trotz dieser Kritik akzeptiert es Frau vielfach, eine solche Stütze zu tragen. Das zeigt, dass es sich für sie um mehr als nur um eine Modeerscheinung handelt: Es ermöglicht, Schönheitsfehler zu beseitigen. Da der weibliche Körper lange Zeit als schwach betrachtet wurde, glaubte man, er brauche eine zusätzliche Stütze. In der Zeitschrift Vogue kann man 1932 lesen:

„Women abdominal muscles are notoriously weak and even hard exercise doesn’t keep your figure from spreading if you don’t give it some support“.

Das Korsett ist in der Tat Partner einer jeden Frau (manchmal verbunden mit kleinen Schmerzen), denn es ermöglicht ihr, körperliche Mängel zu tilgen und ihren Körper ins rechte Licht zu rücken. Das trifft auf Caroline in Petites misères de la vie conjugale von Honoré de Balzac zu, die ein „äußerst trügerisches Korsett“ trägt. Die Wirkung des Korsetts ist ebenso wie die der Dessous sehr erotisch, da es die weiblichsten Teile des Körpers zur Geltung bringt.

Manet, Nana, 1877
Manet, Nana, 1877. Öl auf Leinwand, 150 x 116 cm. Hamburger Kunsthalle, Hamburg.

Der Vollständigkeit halber wollen wir auch die dritte Kategorie, die Wirkwaren, erwähnen. Zu denen die Herstellung, und der Verkauf von Kleidung aus gewirkten Stoffen wie Damenstrümpfe und Wäschestücke wie beispielsweise Unterhosen oder Unterhemden gehören. Sie zeichnen sich durch ihre Webtechnik aus, bei der der Stoff nach dem Prinzip des Strickens aus Materialien wie Nylon, Seide, Wolle, Baumwolle und heute auch Mikrofasern hergestellt wird. Die Wirkwaren erleben heute dank der Weiterentwicklung des Gewerbes und der Industrialisierung dieses Sektors bedeutende technische Neuerungen und vervollständigen die beiden erstgenannten Branchen.

Heutzutage wird kaum mehr zwischen Mieder, Unterwäsche und Wirkwaren unterschieden, da sich die drei Bereiche häufig überlagern (verstärkte Büstenhalter, figurbetonende Strumpfhosen, Schlüpfer mit Bauch-weg-Effekt). Die heutigen Dessous sind das Ergebnis der Entwicklungen in den drei genannten Branchen und in ihnen sind sowohl der hygienische und der formgebende als auch der ästhetische Aspekt präsent…

Bach, Fabrik für Krinolinen, Herstellung der Reifen
Bach, Fabrik für Krinolinen, Herstellung der Reifen. Kupferstich. Musée Carnavalet, Paris.

Um einen besseren Einblick in Die Dessous zu erhalten, setzen Sie dieses spannende Abenteuer fort, indem Sie auf Amazon US, Amazon UKAmazon AustraliaAmazon ItalyAmazon FrenchAmazon German, Amazon Canada, Amazon MexicoAmazon SpainAmazon BrazilAmazon JapanAmazon NetherlandsParkstone InternationalEbook GalleryKoboGoogleAppleCiandoSchweitzerEx LibrisLehmanns MediaSack Mediengruppebol.com

Parkstone International is an international publishing house specializing in art books. Our books are published in 23 languages and distributed worldwide. In addition to printed material, Parkstone has started distributing its titles in digital format through e-book platforms all over the world as well as through applications for iOS and Android. Our titles include a large range of subjects such as: Religion in Art, Architecture, Asian Art, Fine Arts, Erotic Art, Famous Artists, Fashion, Photography, Art Movements, Art for Children.

Leave your thoughts here

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.

Discover more from Parkstone Art

Subscribe now to keep reading and get access to the full archive.

Continue reading

Share via
Copy link
Powered by Social Snap